Was ist ein Mensch? Was macht die eigene Identität aus und inwiefern ist die eigene Identität geprägt durch die Normalisierung bestimmter Erfahrungen?
Der Roman von Hanya Yanagihara zeigt anhand der Hauptfigur Jude, wie stark soziale Identitäten abhängig sind von bestimmten normalisierten Erfahrungen: Aufwachsen in einer Herkunftsfamilie, Wissen um die eigene Herkunft, positive soziale Bezüge über Zeit. Alles dieses ist in der Figur Jude außer Kraft gesetzt und schafft so eine Figur, die aus allen narrativen Selbstverständlichkeiten herausfällt – eine Person, die jenseits sozialer Kategorisierungen funktioniert – für einen sehr hohen Preis fehlender Selbstachtung, fehlenden Vertrauens in andere und in sich selbst.
Was sind die Kriterien, die Menschen zu Menschen machen? Welche Erfahrungen, Kompetenzen und Interessen werden zu sozialen Identitäten, die Menschen zu Angehörigen von Gesellschaften machen? Woran werden Menschen gemessen und was fühlt sich wie ‚ich‘ an in einer Gesellschaft zu einer bestimmten Zeit? Mit welchen Normen haben Menschen zu kämpfen, wenn sie das Gefühl haben, aus welchen Gründen auch immer, nicht in bestimmte Normen hineinzupassen, nicht zu den Fragen zu passen, die andere stellen? Welche Rolle spielt das eigene Aufwachsen, die Erfahrungen, die Personen machen? Wie stellen sich Privilegien über die Normsetzung bestimmter Sozialisationen ein?
In diesem Leseausschnitt von Hanya Yanagihara Roman geht es um die Frage, was macht eine Person aus und wie lerne ich in der Interaktion mit anderen, was eine Rolle spielt, um sozial verständlich zu sein, um von anderen akzeptiert, eventuell vielleicht sogar gemocht zu werden und dadurch auch sich selber akzeptieren und mögen zu können.
Wie stellen sich in Narrationen soziale Normalitäten her und welche Sicherheiten können genau diese Erzählungen geben?
Wie lässt sich worten, was nicht in das System sozialer Vorstellungen passt? Soll es überhaupt gewortet werden? Welches Risiko gehen Menschen ein, wenn sie dies machen? Wie hängen Anwesenheit, die Möglichkeit sich zu identifizieren und die Möglichkeit sich zu worten zusammen?
Fragen sozialer Identität werden in diesem Textausschnitt für eine ganze Bandbreite sozial relevanter Kategorien gestellt. Eine zentrale Frage ist dabei: Gibt es eine Identität, die über die sozialen Zuschreibungen hinausgeht, die diese hinter sich lässt? Das wird in dem Textausschnitt zur Frage der Kategorie ‚Schwarz‘ verhandelt, nachdem zunächst das Abarbeiten und Hadern der Hauptperson Jude mit den sozialen, vor allem auf Class beruhenden Zuschreibungen eines ‚normalen Lebens‘ in Form von Fragen aufgegriffen wird.
„Postsexuell, Postethnisch, Postidentität, Postvergangenheit…“: Welche Erfahrungen und Vergangenheiten sind wichtig, um das auszubilden, was als soziale Identität für andere verständlich wird? Wie ist das formulierbar? Was passiert, wenn eine Person in keine dieser Kategorien passt, sich nicht zuordnen lässt und sich selbst auch nicht zuordnet? Warum nehmen Menschen bestimmte soziale Kategorien als gegeben? Warum werden diese dann, wenn Menschen über sie diskriminiert worden sind, reclaimt – und inwiefern verstärken sich genau diese Kategorien und die Vorstellung, dass sie natürlich sind damit? Gibt es also ein postqueer, welches sich in einem Entziehen genau dieser Kategorien finden würde?
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