Wie stark sind gesellschaftliche Vorstellungen zu Beziehungen und Sex verinnerlicht? Was ist 'guter Sex'? Welche Person ist verantwortlich für Gewalt in intimen Kontakten und wie gehen Menschen mit erlebter Gewalt um? Welche Rolle kann Literatur dabei spielen Momente von Schämen zu überwinden und sich aus der damit verbundenen Verinnerlichung von Gewalt zu lösen?
Der Romanausschnitt umschreibt den Umgang von Jude mit dem Erleben von Gewalt, die Jude erfahren hat – Gewalt, die von außen kommend die Person so zurichtet, dass sie sich selbst eine Verantwortung dafür zuschreibt und Mechanismen des Ausschlusses bestimmter Begegnungen wie neue Schlösser an den eigenen Türen montiert, um der Gewalt zu entgehen. Diese aber wohnt mittlerweile im Inneren der Person. Wo finde ich Wortungen in Literatur, die die Wortlosigkeit von Scham, Verletzung und Gewalt greifbar machen? Welche Muster normalisierter Gewalt können auf diese Weise gequeert werden?
Heißt aus Normen von Sexualität sich zu befreien, Beziehungsmodelle neu zu denken? Ist Begehren an Sexualität gekoppelt? Gibt es körpernde Begegnungen, die sexuelle Vorstellungen nicht nur ausweiten, herausfordern, sondern die Idee von Sexualität an sich in Frage zu stellen vermögen hinsichtlich ihrer eingeschriebenen paar-, körper- und gendernormativen Voraussetzungen?
Der Roman bietet viele Momente und Möglichkeiten neu über das Verhältnis von 'Liebe', 'Intimität' und körperbezogenen sexuellen Kontakten nachzudenken und queert auf diese Weise herkömmliche Wahrnehmungsmuster in einer grundlegenden Weise. Die körpernden intimen Begegnungen, die Jude, die Hauptperson des Romans, genießen kann zu einer anderen Person durchqueren herkömmliche Konzepte sexueller Praktiken als Ausdruck von Liebe – und queeren so Nahbeziehungsvorstellungen ganz grundlegend – so grundlegend vielleicht, dass der Roman in der Regel nicht als queer eingelesen wird.
Eine erotische Biographie
Zur HörstationAnkommen versuchen – Versuche queerer Lebensweisen und Politiken normalisieren
Zur HörstationStille Macht – Gewortetes Schweigen
Zur Hörstation30.01.1999, Ort, Lesung „Lorem ipsum lara est“
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