Was waren meine Vorstellungen, was queere Literatur ist? Was kann ich hören und lesen, was fehlt mir? Wie mainstreamig muss queere Literatur sein, um in Literaturhäusern und -archiven vorzukommen?
Literarische Diskurse machen vieles hörbar, brechen Tabus, fordern Grenzen heraus. Anderes wird damit gleichzeitig noch weniger vorstellbar: Wenn Homosexualität das Gegenteil und die Kritik an Heterosexualität ist, dann gibt es nichts jenseits dieses Rahmens – alles, was nicht homo- oder heterosexuell wäre, wird noch weniger vorstellbar. Wenn es nur weibliche und männliche Pronomen gibt – sie und er –, um sich auf Menschen zu beziehen, dann ist es schwierig vorstellbar, sich andere Wortungen und Identitäten vorzustellen. Literatur fordert hier genau solche sich immer weiter verschiebenden Grenzen und sich flexibel gestaltenden Normen heraus, fordert lesen und vorstellen heraus, erweitert mögliche Welten.
Vieles der queeren Literaturen in diesem Hörraum war bei Veranstaltungen zu hören, die ein Label hatten wie queer, weiblich-männlich-was sonst. Es waren Gruppenveranstaltungen, die genau zu diesem Thema mehrere Personen eingeladen haben. Bei einigen war die Positionierung wichtig – bei denjenigen, die diskriminiert werden in Bezug auf Gender oder Sexualität. Bei diesen ist die Positionierung auch Thema dann, wird zum Thema gemacht – bei den Privilegierten nicht. Es entsteht der Eindruck, Privilegierte schreiben Literatur, Diskriminierte sind betroffen. Jayrôme Robinet wird bei einem Podiumsgespräch anschließend an seine Lesung zu der eigenen Autobiografie als Transmann befragt, Thomas Meinecke und Aris Fioretos (als Cis-Männer) nicht. Auch in dem Gespräch mit Hanya Yanagihara zu ihrem Roman 'A little life', in der die Geschichte und Freundschaft von 4 Cis-Männern miteinander verhandelt wird, kommt direkt zu Beginn die Frage auf, inwiefern dies ein Buch für Männer oder Frauen sei. Es könnte dem Umstand geschuldet sein, dass eine Frau über 4 Männer schreibt (Frauen kommen nur sehr peripher vor in diesem Roman) – und dies an sich als eine Ungeheuerlichkeit verstanden wird – bis heute ist es so, dass schreibende Frauen über ihre vergeschlechtlichte Identität wahrgenommen werden, Männer sind einfach allgemeinmenschlich und Autoren (vgl. auch meinen Artikel in DIE WELT zu Jane Austen und einer Zitierung eines 'Vorfalls' bei dem Lesewettbewerb um den Alfred-Döblin-Preis 2017).
Wann und wie spielen die eigenen Positionierungen und Erfahrungen der Autor_innen eine Rolle dafür, wie ihre Literatur wahrgenommen wird? Wann spielt es für mich im Lesen_Hören eine Rolle?
Wonach bewerte ich Literatur?
Nachruf auf eine untergegangene Welt
Zur HörstationQueer interdependenk_lesen
Zur HörstationLeuchtturmleben: Grenzen überschreitende Wortungen in gewaltigen Grenzen
Zur Hörstation30.01.1999, Ort, Lesung „Lorem ipsum lara est“
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