50 Jahre Gruppe 47 - Die Gruppe 47 und der Literaturbetrieb

07. März 1997
Literarisches Colloquium Berlin

Gespräch: Jürgen Becker, Heinz Friedrich und Roland H. Wiegenstein
Moderation: Martin Lüdke

Programmtext

Gesprächsrunde mit Vertretern unterschiedlicher Sparten des Literaturbetriebes: Kritiker, Verleger, Rundfunkredakteure, Lektoren, Autoren. Mehr und mehr wurden die Tagungen der Gruppe 47 auch zu einer "Börse" für Literatur. Verträge zwischen Verlegern und Autoren wurden unmittelbar nach Lesungen geschlossen, Hörfunbkbeiträge verabredet, und auch das Feuilleton verstand die Tagungen der Gruppe 47 zunhemend als "Literatur-Messe". Der Literaturbetrieb in Deutschland, wie er sich heute im Zusammenspiel von Autoren, Verlagen, Kritikern und Medien darstellt, hat eine seiner Wurzeln in den Tagungen der Gruppe 47.

Weiterführende Informationen

Die Gruppe 47 und der Literaturbetrieb: Was haben beide gemeinsam, fragt Moderator Martin Lüdke zu Beginn. Er verweist auf den literatursoziologischen Anteil in der Geschichte der Gruppe 47. Enzensberger nannte sie eine Clique. Doch solche Bezeichnungen gehörten eher zu den Hinweisen dafür, wie ungeheuer mythenbehaftet alles sei, was die Gruppe 47 betrifft. Heinz Friedrich berichtet, wie die Gruppe kurz nach Kriegsende überhaupt entstanden sei. Alle Gründungsmitglieder seien in etwa 24 oder 25 Jahre alt gewesen und hätten nichts weiter als den Krieg erlebt. Friedrich beschreibt diese komplette Soldatensozialisation, in der jede Form des Literarischen etwas für heutige Verhältnisse unfassbar Utopisches haben musste - und aus diesem Geist heraus es eben zu dieser Interessenbündelung gekommen sei, die dann später als Gruppe 47 großen Erfolg hatte und berühmt wurde. Faktisch aus dem Nichts heraus hätte man ein literarisches Forum geschaffen, so Friedrich und Wiegenstein. Dass diese gegen den damaligen literarischen Mainstream gewirkt hätte, würde heute vergessen werden. Und dass dieser Mainstream viele Jahre lang sehr mächtig gewesen sei - auch das würde gerne vergessen. Was Friedrich und Wiegenstein bedauern, ist, dass man die Emigranten nicht in die Gruppe habe integrieren können. Und dass die Kritiker die Wirkungs-Macht einfach im Laufe der Zeit übernommen hätten, das sei alles nicht wahr - eher ein Mythos.

Personen auf dem Podium