Literarischer Club

23. Mai 1995
Literarisches Colloquium Berlin

Gesprächsteilnehmer: Martin Lüdke, Beate Pinkerneil, Mathias Schreiber und Gustav Seibt

Weiterführende Information

Vom Roman „Das Buch Blam“ des bekannten serbokroatischen Autors Aleksandar Tisma (1924 - 2003) ist man sofort eingenommen. Ungeheuerlich sei das Buch, so Martin Lüdke, „ungeheuerlich im wörtlichen Sinne“, und spielt auf die Darstellung von gewalttätigen Szenen an, die Pogrome während des II. Weltkrieges thematisieren.
Charles d'Ambrosios Erzählband „Ihr wirklicher Name“ hält Gustav Seibt zwar für technisch gelungen, die dabei intendierte „Etablierung eines religiösen Verweissystems“ sei jedoch nicht nur problematisch, sondern wirke regelrecht „paranoid“ und „verklemmt“. Diese Kritik findet Beate Pinkerneil dann doch etwas überzogen.
Christian Krachts heute berühmter Roman „Faserland“ erfüllt alle Gesprächsteilnehmer mit „Abscheu“. Doch wörtlich darf man diesen starken Begriff nicht verstehen. Die Teilnehmer bemerken durchaus, dass in dieser Art „Roadmovie“ (so Seibt) das Ziellose und Vegetative in einem bestimmten Milieu zur Sprache gebracht wird. Jedoch sei „das Oberflächliche“ sowie das Spiel mit dem Provokativem nicht immer literarisch überzeugend. Beate Pinkeneil hält das Antiinitellektuelle gar für „politisch höchst gefährlich“.
Dagmar Leupolds Roman „Federgewicht“ fällt total durch. Die Handlung laufe „immer auf Edelkitsch“ zu. Pinkerneil wundert sich sogar, dass ein solches Werk überhaupt von einem renommierten Verlag herausgebracht würde. Seibt hält das Buch für belanglos, aber auch für „unschädlich durch Langeweile“.

Programmtext

Vier Neuerscheinungen dieses Frühjahrs auf dem Prüfstand der Literaturkritik: Charles D’Ambrosio – Ihr wirklicher Name. Aus dem Amerikanischen von Brigitte Walitzek (Berlin Verlag); Christian Kracht – Faserland (Kiepenheuer & Witsch), Dagmar Leupold – Federgewicht (S. Fischer); Aleksandar Tisma – Das Buch Blam. Aus dem Serbokroatischen von Barbara Antkowiak (Hanser). Die Diskussionsteilnehmer: Martin Lüdke (Börsenblatt, Frankfurt/M.), Mathias Schreiber (Der Spiegel, Hamburg), Gustav Seibt (F.A.Z., Frankfurt/M.) und die Gesprächsleiterin Beate Pinkerneil (ZDF, Mainz).

Personen auf dem Podium