Studio LCB mit Andrej Kurkow

18. Mai 2006
Literarisches Colloquium Berlin

Lesung: Andrej Kurkow
Gesprächspartner: Stefanie Stegmann und Sonja Zekri
Moderation: Maike Albath

Programmtext

Andrej Kurkow war noch nie um gute Einfälle verlegen. Für die Veröffentlichung seines ersten Romans nahm er einen Kredit auf, siedelte für drei Monate in die Druckerei über und startete eine Plakataktion. Die Linienbusse seiner Heimatstadt Kiew waren mit Sprüchen gepflastert wie: „Der Bestseller, den alle lesen werden“. Kurkows suggestive Empfehlung bewahrheitete sich: heute ist er der auflagenstärkste Schriftsteller der Ukraine, seine rasanten Unterhaltungsromane über das Leben in postkommunistischen Verhältnissen erscheinen in 26 Ländern. Diplomat lautete der ursprüngliche Berufswunsch des 1961 in Leningrad geborenen und in Kiew aufgewachsenen Bestsellerautors, weshalb er erst einmal Sprachen studierte und neben Japanisch und Deutsch neun weitere beherrscht. Nach einem Intermezzo als Herausgeber einer Ingenieurszeitschrift leistete Kurkow seinen Militärdienst als Gefängniswärter in Odessa ab und begann, Kinderbücher zu verfassen, ließ sich anschließend an den berühmten Dovshenko-Filmstudios zum Kameramann ausbilden, machte sich als Verfasser von Drehbüchern einen Namen, bis er sich schließlich mit großem Erfolg als Romancier etablierte. Mit seinem zuletzt erschienenen Roman „Die letzte Liebe des Präsidenten” (aus dem Russischen von Sabine Grebing, Diogenes 2005) über die politischen Verhältnisse in der Ukraine kam neben seinem komischen Erzähltalent auch sein Gespür für gesellschaftliche Umbrüche zum Ausdruck. Über die Aufgaben der Literatur in politisch bewegten Zeiten und die Lage der Ukraine diskutiert Andrej Kurkow mit Sonja Zekri, der Feuilletonredakteurin der Süddeutschen Zeitung und mit Stefanie Stegmann, der Leiterin des Freiburger Literaturbüros.

 

Weiterführende Informationen

Das Thema der Veranstaltung ist die politische Wirklichkeit in der Ukraine. So erörtert man z. B. die politische Landschaft anderthalb Jahre nach der ‚Orangenen Revolution’. Aber auch, wie außerhalb der ukrainischen Grenzen das Land wahrgenommen wird, kommt zur Sprache. Sonja Zekri erklärt, dass die Ukraine vor dem politischen Umsturz im Westen kaum wahrgenommen worden sei. Weit verbreitet sei die Ansicht, das Land gehöre zu Russland. Zekri erinnert ebenfalls daran, dass Schriftsteller wie der polnische Autor Stasiuk behaupteten, mit dem politischen Umbruch in der Ukraine wäre Europa neu erfunden worden. Andrej Kurkow ist da etwas weniger emphatisch. Für ihn ist das System aus Korruption im politischen Geschäft seines Heimatlandes ganz und gar ukrainisch - und nicht europäisch. Und er erzählt, warum er sein erstes, mit 14 Jahren verfasstes Gedicht mit dem Titel „Die Einsamkeit eines Hamsters“ versah.

Personen auf dem Podium