Studio LCB mit Anne Weber

28. Januar 2015
Literarisches Colloquium Berlin

Lesung: Anne Weber
Gesprächspartner: Cécile Wajsbrot und Erdmut Wizisla
Moderation: Maike Albath

Programmtext

Die Schriftstellerin Anne Weber führt eine Doppelexistenz: Sie ist eine deutsche Französin oder vielleicht auch eine französische Deutsche, verfasst ihre literarischen Werke in beiden Sprachen und übersetzt sowohl vom Deutschen ins Französische als auch umgekehrt. 1964 in Offenbach geboren und in Paris zu Hause, debütierte sie 1998 zuerst in Frankreich. Ihre Begabung, sich zwischen verschiedenen Sphären einzunisten, zeichnet ihre literarische Arbeit aus. Immer wieder geht es in ihren Büchern um Zustände, die nicht ganz eindeutig sind, schwankende Befindlichkeiten, die mal in Euphorie, mal in Entsetzen, mal in Komik kippen. Das galt für „Luft und Liebe” (2010), das mit den Elementen des Märchens spielte, ebenso wie für die elegante Fortschreibung des Orpheus-Mythos in „Tal der Herrlichkeiten” (2012). In ihrem neuen Roman „Ahnen”, der im Frühjahr gleichzeitig in Frankreich und Deutschland (S. Fischer Verlag) erscheint, nimmt sie sich nun ihre eigene Herkunft vor und tastet sich an ihren Urgroßvater Florens Christian Rang (1864-1924) heran. Rang, Jurist, Theologe, Schriftsteller und ein enger Freund Walter Benjamins, strebte nichts weniger als eine „Abrechnung mit Gott“ an. Er sei der „tiefste Kritiker des Deutschtums seit Nietzsche“ befand Benjamin. Über den Ernst und den Größenwahn einer deutschen Biographie diskutiert Anne Weber mit der französischen Schriftstellerin Cécile Wajsbrot und dem Leiter des Benjamin-Archivs Erdmut Wizisla.

Weiterführende Information

Zu Beginn dreht sich das Gespräch vor allem um Anne Webers Leben in und zwischen zwei Sprachen und Kulturen. Die Autorin erläutert, wie sich ihr Weg nach Frankreich gestaltete und spricht über ihre Freundschaft mit Cécile Wajsbrot. Maike Albath lenkt das Gespräch auf die jüngsten Ereignisse: Wie haben die Gäste des Abends den Anschlag auf "Charlie Hebdo" drei Wochen zuvor wahrgenommen? Weber und Wajsbrot stellen ihre kritische Sicht auf die gesellschaftliche Reaktion in Frankreich dar. In Vorbereitung auf die erste Lesung wendet sich das Gespräch dann dem Gegenstand des neuen Buches von Anne Weber, ihrem Urgroßvater Florens Christian Rang, zu.

Nach der Lesung sprechen die Gäste über Webers literarische Annäherung an die Vergangenheit, das besondere Genre des Buches wird zu fassen versucht. Cécile Wajsbrot kommt eine besondere Rolle zu, da sie als "Cécile" selbst zur Figur des Buches geworden ist. Erdmut Wizisla weist in diesem Zusammenhang auf die Fiktionalität auch des Protagonisten des Buches hin - in der Aneignung durch die Autorin werde Rang zu einer "Erfindung". Anne Weber gibt zu, keine "vermeintliche oder wirkliche Objektivität" zu besitzen, was auch mit ihrer, des unehelichen Kindes, Beziehung zu ihrer Familie zusammenhänge. Auch über die Präsenz von Auschwitz in aller deutschen und französischen Erinnerung wird gesprochen.

Im Anschluss an die zweite Lesung wird über Florens Christian Rang diskutiert, sowohl den "geistesgeschichtlichen Horizont" (Albath), als auch seine extreme Persönlichkeit betreffend. Zum Schluss dreht sich das Gespräch noch um den Stil des Buches und seine Übersetzung ins Französische.

Personen auf dem Podium