Studio LCB mit Ernst Augustin

26. August 2003
Literarisches Colloquium Berlin

Lesung: Ernst Augustin
Gesprächspartner: Matthias Politycki und Uwe Timm
Moderation: Maike Albath

Sobald alle Rechtsinhaber zugestimmt haben, wird diese Veranstaltung vollständig nachzuhören sein.

Programmtext

Der Historiker Alexander, ein sehniger, durchtrainierter Herr im dritten Lebensalter, erobert sich ein neues Territorium: die FKK-Zone im Jakobi-Schwimmbad, mitten im sommerlichen München. Als Experte für vorderasiatische Frühgeschichte und die Tempelprostitution im alten Ninive nimmt Alexander das fremde Soziotop unter seine wissenschaftlich geschärfte Lupe, findet Gefallen an den Gepflogenheiten und wird Teil der Nacktbade-Gesellschaft. Eines Tages betritt Juliane mit ihrer rasanten Figur die Rasenfläche und entzündet einen Kampf um Leben und Tod, bei dem Tantramänner, altindische Liebestechniken und Gruppendynamik eine Rolle spielen. In seinem zehnten Roman "Die Schule der Nackten" (C.H. Beck) verbindet der Schriftsteller und Psychiater Ernst Augustin, 1927 in Hirschberg/Riesengebirge geboren, Orient und Okzident auf spielerische Weise. Als Leiter eines amerikanischen Krankenhauses in Afghanistan Ende der 50er Jahre hatte Augustin Asien kennen gelernt und aus den Märchen und Sagen der Region ein archetypisches Pseudo-Epos geschaffen: "Mahmud der Schlächter", 1992 erstmals bei Suhrkamp erschienen, das der C.H. Beck Verlag jetzt unter dem Titel "Mahmud der Bastard" neu auflegt. Ernst Augustin wird aus seinen Büchern lesen und mit den Schriftstellern Uwe Timm und Matthias Politycki über die Beziehungen zwischen Phantasie und Wirklichkeit diskutieren.

Weiterführende Informationen

Ernst Augustin erzählt von seinem ereignisreichen Leben als Arzt und Schriftsteller. "Mich hat immer das Abenteuer gereizt", bekennt er zu Beginn der Aufnahme und erzählt, wie er als junger Arzt 1958 nach Afghanistan kam, um ein kleines Krankenhaus zu leiten. Lauter Kuriositäten kommen schließlich zum Vorschein. Die beschaulichen klingen dann derart: Augustins Ausweis als DDR-Bürger hieß damals "Travel Border" und war mit dem Zusatz versehen: "Es wird vermutet, dass er Deutscher ist." Die weniger beschaulichen Details werfen ein finsteres Licht auf die afghanische Gesellschaft der 50er Jahre, wie z. B. die Geschichte von der Frau, die sich weigerte, eine Burka zu tragen - und der in der Öffentlichkeit die Nase abgeschnitten wurde. Aber auch über den Literaturbetrieb berichtet Augustin kenntnisreich. Wie jeder literarisch gut unterrichtete Mensch weiß, wurde die Tagung der Gruppe 47 in Princeton 1966 durch Handkes dramatischen Auftritt, in der er der Jury "Beschreibungsimpotenz" vorwarf, berühmt. Was nur wenige aber wissen: Ernst Augustin hatte just an dem Tag auch seinen Roman vorgestellt. "Mein Auftritt bei der Gruppe 47 war dramatisch", erzählt er. "Ich hatte einen Riesenerfolg. Aber nur bis 12 Uhr. Dann kam Handke."

Personen auf dem Podium