Studio LCB mit Jurek Becker

21. Juli 1992
Literarisches Colloquium Berlin

Lesung: Jurek Becker
Moderation: Hajo Steinert
Gäste: Heinz Ludwig Arnold, Andreas Isenschmid

Weiterführende Informationen

In dieser Aufnahme des Studio-LCB steht der letzte Roman des 1997 verstorbenen Jurek Beckers im Mittelpunkt. In "Amanda herzlos" wird eine Frau aus drei männlichen Perspektiven porträtiert. Becker wirft durch drei unterschiedliche Ich-Erzähler, die er berichten lässt, ein Licht auf moderne Beziehungen, deren Protagonisten nicht mehr nach dem Kodex der traditionellen, monogamischen Verhältnisse handeln - und deren Handeln eine Wiedergabe gesellschaftlicher BRD-Verhältnisse in den 80ern ist. Die lange Lesung von fast einer Stunde wird geprägt durch diese drei Ich-Erzähler-Stimmen, die Becker, der sehr gut liest, jeweils anklingen lässt. Die Diskussion gibt die damalige Rezensenten- und Diskursstimmung gut wieder. Becker hatte durch seine berühmten Romane "Jakob der Lügner", "Der Boxer" und "Bronsteins Kinder" ein großes Renommee. Das schützte ihn jedoch nicht vor der Enttäuschungen der Kritik gegenüber dieser "Beziehungskomödie". Die Rezensenten reagierten auf den Roman durchaus mit Lob, hatten aber ein distanziertes Verhältnis zu den Männerfiguren, die sie z.T. als Langweiler empfanden - und sie monierten die "Leichtigkeit" des Erzählflusses. Erstaunlich an dieser Lesung ist, dass sich Jurek Becker, der eloquent seine narrativen und handlungstechnischen Überlegungen und Konzepte erklären kann, als "erzählmüde" outet, was auch in vielen Interviews der damaligen Zeit anklang. Jurek Becker ist jedoch ein Autor, der vom Typus her eher ein skeptisches Verhältnis zu seiner eigenen künstlerischen Potenz pflegt - und daraus seine Energie ableitet.

Programmtext

Jurek Becker liest aus seinem demnächst bei Suhrkamp erscheinenden Roman "Amanda herzlos" und diskutiert mit den Kritikern Heinz Ludwig Arnold (text und kritik, Göttingen) und Andreas Isenschmid (Schweizer Rundfunk, Zürich).

Personen auf dem Podium