Studio LCB mit Péter Nádas

23. Februar 2012
Literarisches Colloquium Berlin

Lesung: Péter Nádas
Gesprächspartner: Tilman Krause und Joachim Sartorius
Moderation: Maike Albath

Programmtext

"Parallelgeschichten" nennt der ungarische Schriftsteller Péter Nádas sein neues Werk. Es als einen Jahrhundert-Roman zu bezeichnen, wäre noch untertrieben. 1.728 Seiten umfasst das Buch, es entwirft ein Panorama der europäischen Zeitgeschichte, beginnt mit einem Mord im Berliner Tiergarten und führt in das Beziehungsnetz einer Familie hinein. Die historischen Wegmarken sind der Ungarnaufstand 1956, die nachrevolutionäre Phase, der Nationalfeiertag am 15. März 1961, die Vorkriegszeit in Berlin und die Deportationen der ungarischen Juden in den vierziger Jahren. Nicht nur äußere Ereignisse skandieren den Roman – der Körper selbst wird zum Schauplatz der Ereignisse. Péter Nádas, 1942 in Budapest geboren, stammt aus einer jüdischen Familie, war Fotoreporter und Journalist, bis er mit den Vorgaben für die Berichterstattung in Konflikt geriet und sich 1968 als Schriftsteller aufs Land zurückzog. Die Zensur verhinderte fünf Jahre lang die Veröffentlichung seines Debüts „Ende eines Familienromans”, das schließlich 1977 erschien. In Deutschland wurde Nádas mit seinem ebenfalls monumentalen Roman „Buch der Erinnerung” (1991) bekannt. Im Studio LCB diskutiert Péter Nádas mit dem Literaturkritiker Tilman Krause und dem Schriftsteller Joachim Sartorius über die Möglichkeiten des Erzählens.

Weiterführende Informationen

Eine Veranstaltung mit bemerkenswerten Gesprächsbeiträgen.
Bei dem Versuch der Durchleuchtung der labyrinthischen Roman-Architektur der "Parallelgeschichten" entwerfen die Teilnehmer einen Umriss der Geschichte des europäischen Bürgertums. Dabei vertritt Péter Nádas steile Thesen. Er behauptet, dass das Bürgertum strukturell so angelegt ist, dass es Individualität zu beschneiden, ja zu verhindern trachtet. Dabei spekuliert der ungarische Autor entlang geschichtlicher Prozesse. Im Gespräch kristallisieren sich schließlich Eckpfeiler einer kritischen Theorie heraus. Zwar benutzt Péter Nádas Ausdrücke wie "Korsett" oder "Konvention", um damit die Zwänge, denen sich das Individuum ständig ausgesetzt sieht, zu beschreiben. Aber der Schriftsteller gibt am Ende der Sendung zu verstehen, dass die Französische Revolution eine andere Idee von individueller Freiheit durchzusetzen beabsichtigte. „Individuell sind nur wenige“, sagt er.Helfen

Personen auf dem Podium