„Vorbildlich schleimlösend“. Satirische Collagen und Capriccios

13. März 1996
Deutsches Literaturarchiv Marbach

Lesung: Adolf Endler

Weiterführende Informationen

Adolf Endler erklärt zu Beginn seiner Lesung, dass sein Buch "Vorbildlich schleimlösend" (1990) vor allem Texte enthalte, die in den sogenannten "Underground-Zeitschriften", etwa 50 Underground-Zeitschriften, der DDR in den 1980er Jahren erschienen sind, und dass diese von ihm in Zusammenarbeit mit dem Rotbuch Verlag zusammengestellt wurden. Er liest aber nicht aus diesem Werk, das aus "schwarzhumorigen phantasmagorischen Geschichten" besteht, sondern aus einem anderen, das diese Fragmente als eine Art "Klartext" ergänzen sollte und das auf Tagebuchblättern basiert, die Endler zehn Jahre lang geschrieben hatte. Der Autor hat sich jedoch auf Tagebuchblätter aus den Jahren 1981 bis 1983 beschränkt, die er zusammengeholt hatte (z. T. hatte er sie zu seiner Mutter nach Düsseldorf geschmuggelt oder schmuggeln lassen), nachdem die Debatte um den Prenzlauer Berg und die seiner Meinung nach "im Großen und Ganzen ungerechtfertigte Verteufelung dieser Truppe aus 40 oder 50 Künstlern und Halbkünstlern, unter denen es bekanntlich zwei Spitzel gab", losgegangen war. Von dem ungewöhnlichen Titel dieses Buches, "Tarzan am Prenzlauer Berg" (1994), der auf einer Randnotiz in diesem Werk basiert (Tarzan als "typischer Stadtmensch"), war der Autor anfangs nicht begeistert, aber dieser Einfall seines Lektors sorgte dafür, dass jenes Buch gleichermaßen in Ost- wie in Westdeutschland relativ erfolgreich war. Laut Endler wirken die sarkastischen Tagebuchblätter wie autobiographische Fragmente, teils tendieren sie zum Anekdotischen und teils handelt es sich um kurze Zitate, die z. B. aus Zeitungen oder aus mündlichen Aussagen stammen. "Tarzan am Prenzlauer Berg" sei ein "Konglomerat aus solchen unterschiedlichen Texten" und es gebe darin eine "vornehm-essayistische Schicht" und eine "brutale Schicht", die sich mit Staatssicherheit und ähnlichen Dingen befasse. So handelt eine Passage aus diesem Prosawerk, die Endler in Marbach vorliest, davon, dass man in der DDR beim Betreten einer fremden Wohnung als Gast gewohnheitsmäßig nach Abhörwanzen suchte. Ein anderes Fragment berichtet darüber, dass Endlers Schriftstellerkollege Erich Arendt zu seinem 70. Geburtstag bei den SED-Funktionären einen Wunsch frei hatte und sich für ein Abonnement der westdeutschen Wochenzeitschrift "Die Zeit" entschied. Er bekam sie, musste aber ein Papier unterschreiben, dass er die Exemplare vernichten würde, sobald er sie gelesen hatte. Adolf Endler bekam damals die Rolle als "Erich Arendts-ZEIT-Verbrenner" zugewiesen; gebunkert wurden die Ausgaben der Zeitschrift allerdings in einem alten Kinderwagen, aus dem sich jeder Besucher bediente, und so wurde der Prenzlauer Berg zum bestinformierten Ostberliner Stadtbezirk.

Adolf Endler liest zum Abschluss eine "Serie von Zitaten" aus DDR-Zeitschriften und aus ein paar Schulaufsätzen vor. Diese collagierten Prosatexte wurden von ihm um 1985/86 geschrieben und ebenfalls streckenweise in den Underground-Zeitschriften der DDR publiziert. Der zeitkritisch-satirische Text "Die frühen Achtziger. Ein Zitaten-Slalom" besteht somit aus "Original-Zitaten" und aus "kargen Kommentaren" und ist laut Endler als eine Fortsetzung des "Tarzan-Buches" anzusehen.

Personen auf dem Podium