Migration als Heimat

25. November 2009
Deutsches Literaturarchiv Marbach

Vortrag: Ilija Trojanow
Begrüßung: Ulrich Raulff
Einführung: Olaf Hahn
Moderation: Jan Bürger

Programmtext

Im Rahmen der Tagung [„Chamisso – wohin? Über die deutschsprachige Literatur von Autoren aus aller Welt“] spricht der Chamisso-Preisträger Ilija Trojanow über „Migration als Heimat“ und seine Kunst, aus vermeintlich verlorenen Welten literarische Früchte zu ernten.

Weiterführende Informationen

Der Adelbert-von-Chamisso-Preis, der auf eine Initiative von Harald Weinrich zurückgeht, wurde erstmals 1985 von der Robert Bosch Stiftung (bis 2005 in Kooperation mit der Bayerischen Akademie der Schönen Künste) verliehen. Mit diesem bedeutenden Literaturpreis wurden auf Deutsch schreibende Autoren geehrt, die eine andere Muttersprache haben, deren literarisches Werk also von einem Sprach- und Kulturwechsel geprägt ist.

Jan Bürger verweist einführend auf die „Nomadenexistenz“ des Chamisso-Preisträgers Ilija Trojanow. Das Leben zwischen den Sprachen und Kulturen auf verschiedenen Kontinenten sei für ihn wahrscheinlich zunächst so etwas wie ein biographisches Schicksal gewesen, im Laufe der Jahre hätte es sich dann aber vielmehr zu einem offensiv vertretenen Programm entwickelt. Es hätte allerdings eine Konstante auf seinen Reisen gegeben: seine Liebe zur (deutschen) Sprache. In der Hauptfigur von Ilija Trojanows bekanntestem Roman „Der Weltensammler“ (2006), Richard Burton, scheine sich zudem die Existenz des Autors selbst zu spiegeln.
Ilija Trojanow merkt zunächst an, dass es sein Ziel sei, die ganze Diskussion um die sogenannte „Migrantenliteratur“ in größere Zusammenhänge zu stellen, um sie dadurch von einer teilweise etwas provinziellen Enge zu befreien. Er erklärt außerdem zu Beginn seines Vortrags in Marbach, dass er den Begriff „Exil“ als Topos für die Existenz Entwurzelter und vor allem für die literarischen Folgen dieser Entwurzelung verwende. Ilija Trojanow gliedert seinen Vortrag mit dem Titel „Migration als Heimat“ in insgesamt sechs Teile: 1.) Exil als trauriger Topos; 2.) Exit in die Vielfalt; 3.) Das eigene Land schreibend am Leben erhalten; 4.) Enigma der Rückkehr; 5.) Das Asyl im Exil; 6.) Und nun zur „Chamisso-Literatur“.
Im anschließenden Gespräch betont Ilija Trojanow, dass die deutsche Sprache die schönste sei, die er kenne, und dass die „Dominanz der Sesshaftigkeit“ ein entscheidender politischer Topos sei. Wir alle seien geprägt von einem Diktat des Nationalen, des Homogenen und des Verorteten, was aber nicht die Norm in der Geschichte der Weltliteratur gewesen sei. Die meisten Autoren, die er persönlich schätze, seien von einer gewissen Entwurzelung angetrieben worden. Je mehr er in der Vergangenheit mit dem Etikett „Migrantenautor“ konfrontiert worden sei, desto mehr sei es ihm notwendig erschienen, darauf hinzuweisen, dass dies geradezu ein Urzustand der Literatur sei.

Personen auf dem Podium