„pech & blende“

27. Juli 2005
Deutsches Literaturarchiv Marbach

Lesung: Lutz Seiler
Moderation: Philip Ajouri

Programmtext

Der 1963 in Gera geborene Lutz Seiler war Handwerker, bevor er Germanistik studierte. Heute leitet er das Literaturprogramm des Peter-Huchel-Hauses in Wilhelmshorst. Seinen literarischen Durchbruch feierte er im Jahre 2000 mit dem Band „pech & blende“. 2003 folgte die Gedichtsammlung „vierzig kilometer nacht“, für die er den Bremer Literaturpreis erhielt.

Weiterführende Informationen

Lutz Seiler liest, wie er sagt, „ein kleines Triptychon“, das aus dem Aufsatz „Im Ankerglas", einigen Gedichten aus „pech & blende“ und „vierzig kilometer nacht“ sowie der Erzählung „Die Anrufung“ besteht. 
Dem Aufsatz „Im Ankerglas“ liegt Lutz Seilers Rede zur Entgegennahme des Bremer Literaturpreises zugrunde. Sein Titel bezieht sich dabei ganz konkret auf in einzelne Worte zerschnittene Vers- und Gedichtnotate. Die entstandenen Schnipsel „weckt“ der Autor in Gläsern der Firma Anker ein, datiert diese und reagiert damit auf eine Schreibkrise. In der Reflexion auf den konkreten Gegenstand des Ankerglases entdeckt Lutz Seiler einen Bezug zur Metapher der Flaschenpost, wie sie sein Vorgänger unter den Bremer Preisträgern, Paul Celan, in seiner Rede für das Gedicht verwendet hatte: „Mit beiden Gefäßen wird Zeit gewonnen, wird auf Zeit gesetzt.“ Ist aber die Flaschenpost meist die gerichtete Botschaft eines Schiffbrüchigen, so sind die eingeweckten Wörter haltbar gemachtes Material. Mit dem Material aber, so die poetologische Hoffnung, wird auch die Zeit seines Entstehens konserviert, auf dass auch sie zu einem späteren Zeitpunkt wieder in ein neues Gedicht fließen kann, ganz wie der Absender der Flaschenpost auf einen Empfänger hofft: „Beide Gefäße verwandeln ein Scheitern in der Gegenwart mittels alter Technik in eine Hoffnung auf die Zukunft.“
Anschließend liest Lutz Seiler drei Gedichte aus „pech & blende“, die, passend zur Zeitthematik des Aufsatzes, Kindheitsbilder weiterschreiben sowie den Zyklus „gelobtes land“ und weitere Gedichte aus „vierzig kilometer nacht“, die sich von den Landschaften Thüringens und Brandenburgs herschreiben.
In einer brandenburgischen Villa spielt auch die am Ende vorgetragene essayistische Erzählung „Die Anrufung“, in der die Situation einer mündlichen Prüfung zum Thema Schönheit bei einem alte, preußische Etikette nachahmenden Professor sich wandelt zu einer Kindheitserinnerung, in der ein Fünfjähriger erlebt, wie aus den ins Leere gerufenen Lauten zweier Namen eine Welt entsteht und Schönheit erfahrbar wird.

Personen auf dem Podium