Studio LCB mit Günter Grass

02. Juli 2009
Literarisches Colloquium Berlin

Lesung: Günter Grass 
Gesprächspartner: Breon Mitchell, Helmut Frielinghaus,
Per Öhrgaard und Oili Suominen
Moderation: Denis Scheck

Sobald alle Rechtsinhaber zugestimmt haben, wird diese Veranstaltung vollständig nachzuhören sein.

Programmtext

"Zugegeben: ich bin Insasse einer Heil- und Pflegeanstalt, mein Pfleger beobachtet mich, läßt mich kaum aus dem Auge; denn in der Tür ist ein Guckloch, und meines Pflegers Auge ist von jenem Braun, welches mich, den Blauäuigen, nicht durchschauen kann." Mit diesem doppelbödigen Satz meldet sich 1959 der Erzähler des Romans "Die Blechtrommel" zu Wort, Oskar Matzerath, wie sein Erfinder Grass in Danzig geboren, allerdings drei Jahre älter als dieser und als ewig dreijähriger Wachstumsverweigerer in der Zeit eingefroren. Dieser Romananfang, aufrüttelnd wie ein Donnerschlag und so verführerisch geheimnisvoll wie ein Jazzriff, ist die Unabhängigkeitserklärung der deutschen Nachkriegsliteratur: von jetzt an, so die bis heute befreiende Botschaft dieses Buchs, ist uns nichts mehr heilig, schrecken wir vor keinem Tabu mehr zurück, lassen keine Wahrheiten mehr ungeprüft gelten. Woher rührt Matzeraths subversive Macht? Ganz einfach: der Verrückte stellt dem Leser die Frage, wieso er verrückt ist und nicht die Welt, in der er lebt. Mit seinen Gedichten und seiner Prosa, neben der "Blechtrommel" insbesondere mit dem Roman "Hundejahre", den Erzählungen "Katz und Maus" und "Das Treffen in Telgte" sowie mit seinem Erinnerungsbuch "Beim Häuten der Zwiebel", hat Günter Grass den Maßstab in der deutschen Gegenwartsliteratur gesetzt. Dafür ist ihm 1999 der Literaturnobelpreis verliehen worden. Im "Studio LCB" feiern wir den 50. Geburtstag der "Blechtrommel" - mit einer Lesung von Günter Grass aus seinem Roman, vor allem aber mit einer Diskussion mit Günter Grass, seinem langjährigen Lektor Helmut Frielinghaus und mit den literarischen Übersetzern Breon Mitchell, Per Öhrgaard, und Oili Suominen, die die "Blechtrommel" ins Englische, Dänische und Finnische neu übertragen haben.

 

Weiterführende Informationen

Dass man drei Übersetzer zu dieser Sendung einlädt, in der der 50. Geburtstag der „Blechtrommel“ im Mittelpunkt steht, hängt mit der Geschichte der alten Übersetzungen zusammen. Selbst der bedeutende Ralph Mannheim, der Grass’ Roman ins Englische zu Beginn der 60er übertrug – so berichtet einer der Teilnehmer - hatte ganze Passagen eigenwillig gestrichen; und manche Übersetzer hatten sich offenbar noch größere Freiheiten herausgenommen. So geht es in dieser Aufnahme nicht allein nur um die „Blechtrommel“ und um seinen Verfasser, sondern auch um die Kunst des Übersetzens. Mit Günter Grass unterhält man sich überdies über die Entstehungs- und Wirkungsgeschichte des weltberühmten Buches. Warum gerade Paul Celan den in Paris lebenden Autor Ende der 50er ermutigte, diesen Roman unbedingt zu Ende zu schreiben, wird ebenso beantwortet wie die Frage, warum Grass überzeugt davon ist, dass Hybris für einen Künstler wichtig ist.

Personen auf dem Podium