Studio LCB mit Jürgen Becker

18. Februar 1997
Literarisches Colloquium Berlin

Lesung: Jürgen Becker
Moderation: Hajo Steinert
Gesprächspartner: Walter Hinck, Sibylle Cramer

Weiterführende Informationen

In dieser Aufnahme des Studio-LCB gewinnt man den Eindruck, dass der Autor und die Diskussionsteilnehmer sich gründlich missverstehen. Jürgen Becker präsentiert einen Prosatext, in dem die Erinnerungen an seine Kindheit und Jugend während der Kriegsjahre im Mittelpunkt stehen. Sibylle Cramer interpretiert das Werk als das Ergebnis "eines Baumeisters einer poetischen Architektur der Erinnerung"; und fügt hinzu, dass Becker sich zu einem "Theoretiker der Erinnerung" entwickelt hätte. Walter Hinck schlägt einen Bogen zum Verhältnis von individuellem und kollektivem Bewusstsein: Erst in der Erinnerung würde Geschichte entstehen, die Gegenwart provoziere die historische Konstruktion. Jürgen Becker entgegnet mit süffisanter Ironie, jetzt wisse er, was er beim Schreiben gemeint habe. Zu einem offen ausgetragenen Konflikt kommt es jedoch nicht, weil Jürgen Becker der germanistisch geprägte Stil der Interpretationen und der hermetische Charakter der Textdeutung zwar nicht schmecken, er aber jederzeit den respektvollen Umgang der Kritiker mit seiner Dichtung spürt. Er selber verweist auf einen Aspekt in seiner Prosa, wo beschrieben wird, dass "das Kind sich gerne Bilder in Illustrierten angeschaut" hätte und häufig ins Kino gegangen wäre - vor allem wegen der Bilder "der Wochenschau". "Erst diese Medien verschafften mir ein Bild von der Wirklichkeit", so Becker weiter. Er schlussfolgert daraus, dass die "Kunst die Wirklichkeit" herstelle.

Programmtext

Nach langen Jahren, in denen er vor allem an seinen großen lyrischen Zusammenhängen geschrieben hat, legt Jürgen Becker im März eine neue Erzählung unter dem Titel 'Der fehlende Rest' vor. Die Schlittschuhläufer auf dem zugefrorenen Wannsee sind für den Erzähler der Ausgangspunkt für einen Erinnerungsprozeß, der assoziativ Momente aus der Vergangenheit ans Licht rückt und zu einem Ganzen rundet. Gesprächspartner sind die Kritikerin Sybille Cramer und der Literaturwissenschaftler Walter Hinck.

Personen auf dem Podium