Schwarzer September. Studio LCB mit Sherko Fatah

23. September 2019
Literarisches Colloquium Berlin

Im Gespräch mit dem Autor: Elke Schmitter und Stefan Weidner
Moderation: Tobias Lehmkuhl

Programmtext

Ein Thriller? Ein historischer Roman? Eine Parabel? Mit »Schwarzer September« beleuchtet Sherko Fatah den Untergrund der siebziger Jahre, die klandestinen Zusammenkünfte kleiner Terrorzellen, die verdeckte Arbeit der Geheimdienste in Beirut, Paris und Frankfurt, das komplizierte Spiel der Camouflage. Die Deutsche, die den Kampf sucht, der Libanese, der in den innersten Kreis der Organisation »Schwarzer September« vordringt, der Amerikaner, der sich keiner Illusion darüber hingibt, dass irgendjemand in dem brodelnden Moloch Beirut den kompletten Überblick behalten könnte. Diese Welt des Terrorismus und der Spionage in ihrem verschachtelten Aufbau stellt Sherko Fatah in seinem vermeintlich einfach geschriebenen aber doch geschickt verfugten Roman höchst anschaulich dar. Und er fragt, inwiefern diese Zeit in ihrer utopischen Fatalität die heutige mitprägt.

Weiterführende Information

Das einführende Gespräch dreht sich um den Handlungsort Beirut. Stefan Weidner spricht über Beirut als Literaturstadt und "Schweiz des nahen Ostens" sowie über die historischen Bedingungen seiner Weltoffenheit und Sherko Fatah erklärt, dass ihn die Gründe hinter dem Scheitern dieser Ordnung und Vielfalt interessiert hatten - dieses "zusammengepresste, kleine Land, das [...] so bunt war, dass es fast auseinanderfliegen musste." Dazu passt dann auch die Form des Romans, die Fatah im Thriller-Genre verortet, und in dem Moderator Tobias Lehmkuhl keine Handlung im traditionellen Sinne erkennt - die von Elke Schmitter aufgezählten Haupthandlungsstränge seien nicht so streng geflochten "wie ein Zopf" (Fatah). Im Anschluss an die erste Lesung legt Schmitter ihre Sicht auf die Figuren des Romans dar. In der Erzählform, die sie als eine "Halbdistanz" beschreibt, gingen die Gedanken von Erzählstimme und Figuren ineinander über, was die Nähe der Leserin zum Personal des Romans durchaus begrenze. Die Motivationslage der verschiedenen Figurengruppen bleibe schwer zu ergründen, findet der Moderator. Es wird über die Verstrickungen der CIA und ihre Schwierigkeiten dabei, fremde Kulturen und Mentalitäten zu verstehen, gesprochen und die Verbindung zwischen Geschichte und (Fatahscher) Fiktion betrachtet. Tobias Lehmkuhl lenkt das Gespräch auf die "deutsche Fraktion" unter dem Romanpersonal, die sowohl als die "naivste" als auch ineffektivste identifiziert wird. Zum Abschluss dreht sich das Gespräch noch um den Antizionismus und die komplexen territorialen Konflikte in der Levante. Wie Sherko Fatah betont, geht es ihm nicht zuletzt darum, den Unterschied zwischen der Erfahrung eines Konfliktes durch Einheimische einerseits und durch zugereiste Ideologen andererseits darzustellen. Am Ende des Abends ist es nicht erstaunlich, dass die Podiumsgäste allerlei Parallelen zwischen Literatur und Geheimdienstarbeit erkennen zu können glauben.

Personen auf dem Podium