„Selbstporträt mit Bienenschwarm“

03. Februar 2016
Deutsches Literaturarchiv Marbach

Lesung: Jan Wagner
Moderation: Vanessa Greiff

Programmtext

Der wohl erfolgreichste Lyriker seiner Generation stellt seine Gedichte vor.

Weiterführende Informationen

Doch Erfolg schreibt keine Gedichte – und in den Gesprächen, die die beiden Lesungsblöcke einrahmen, geht es genau um das Schreiben von Gedichten, geht es um die verschiedenen Formen der hauptsächlich abendländischen Dichtungstradition und wie sich Form und Freiheit zu einander verhalten, sich letztlich bedingen. Am Reim als dem deutlichsten Merkmal gebundener Rede verdeutlicht Jan Wagner deren sanften Zwang, der Autor und Sprache in neue bildliche und gedankliche Bereiche hineindränge. Dabei findet man den reinen Reim eher selten in Jan Wagners Gedichten. Umso häufiger begegnet man stattdessen Halb- und konsonantischen Reimen und diese können z. B. über die Säge und den Piranha mit seinen Sägezähnen zu dem Namen Brunhilde und somit letztlich zu der zersägten Jungfrau führen – zwischen Brunhilde und Sigurd liegt in der Liederedda ein Schwert im Bett.
Ob nun Reime oder der Katalog lyrischer Formen wie Sonett, Sistine, Villanelle und Rondo, sie alle könnten bei richtiger Verwendung das Gedicht in andere als die geplanten Bereiche drängen. Dies aber setze voraus, dass man die Form nicht nur mit Sprache auffülle: „Kurz gesagt, es geht nicht darum, eine Form zu erfüllen, sondern die Form zu nutzen, um das Gedicht sich erfüllen zu lassen.“ Gedichte, ihre Formen aber auch ihre Anlässe, so lässt sich vielleicht zusammenfassen, sind für Jan Wagner Ausgangspunkte für Bewegungen in die Sprache hinein und Fortbewegungsmittel innerhalb der Sprache – ohne festes und dadurch mit dem noch Unbekannten als Ziel.

 In den Lesungsteilen breitet Jan Wagner, dem Anlass der Präsentation eines Auswahlbandes entsprechend, Facetten seines bisherigen Werkes aus. Konzentriert sich der erste Teil noch auf die neueren und neuesten Gedichte, so geht der zweite Teil durch die ersten vier Bände des Lyrikers. Historische Figuren wie Klaus Störtebeker haben ihren Auftritt, aber auch eine Quittenpastete ist Gegenstand eines Gedichts.  Das Unkraut Giersch überwuchert ein Sonett, Kentauren singen einen Blues und im abgeschlagenen Kopf des Feldherrn Onesilos nistet sich ein Bienenstaat ein und schlägt so im Widerspiel von Tod und Leben, Stillstand und Bewegung den Bogen zurück zu den ältesten Traditionen der Dichtung (hier Herodots Historien und Vergils Georgica) und vorwärts zu einem neu entstandenen Gedicht. 

Personen auf dem Podium