Studio LCB mit Herta Müller

11. November 2009
Literarisches Colloquium Berlin

Lesung: Herta Müller
Gesprächspartner: Lothar Müller und Michael Naumann
Moderation: Denis Scheck

Sobald alle Rechtsinhaber zugestimmt haben, wird diese Veranstaltung vollständig nachzuhören sein.

Programmtext

Herta Müllers neuer Roman "Atemschaukel" führt nach Russland, ins Grauen und an einen Nullpunkt menschlicher Existenz: in die sowjetischen Gefangenenlager nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Ein junger deutschstämmiger Mann in Rumänien, dessen Biographie Parallelen zu der des Schriftstellers Oskar Pastior aufweist, erlebt die Deportation im Januar 1945 zunächst absurderweise als Aufbruch und Befreiung aus der Überwachung durch die Familie, denn der junge Mann hat gerade seine Homosexualität entdeckt und wittert die Chance auf Abenteuer. Die Realität im Lager holt ihn bald ein. "Wenn es so viel Anschauungsmaterial von anderen gibt, die schneller abdanken als man selbst, wird die Angst mächtig. Mit der Zeit übermächtig, also zum Verwechseln ähnlich mit Gleichgültigkeit. Wie soll man sonst flink sein, wenn man den Toten als erster entdeckt. Man muss ihn rasch nackt machen, solang er biegsam ist und bevor sich ein anderer die Kleider nimmt. Man muss sein gespartes Brot aus dem Kissen nehmen, bevor ein anderer da ist. Das Abräumen ist unsere Art zu trauern." Im "Studio LCB" wird die 1953 im rumänischen Nitzkydorf geborene, seit 1987 in Berlin lebende Herta Müller aus "Atemschaukel" lesen und mit den Literaturkritikern Lothar Müller (Süddeutsche Zeitung) und dem Herausgeber der Wochenzeitung "Die Zeit" Michael Naumann über die literarische Verfügbarkeit biographischer Erfahrung diskutieren.

 

Weiterführende Informationen

Diese Studio-LCB Veranstaltung hat eine Vorgeschichte: Der Sendetermin hatte schon vor der Vergabe des Nobelpreises für Literatur an Herta Müller festgestanden, was mit dem Thema ihres Romans "Atemschaukel" zusammenhing. "Atemschaukel" thematisiert das Schicksal der Rumäniendeutschen nach 1945 - ihre Deportation durch die Sowjets in die Gulags.
Schon im Sommer, kurz nachdem das Buch erschienen war, reagierte die Literaturkritik mit einhelliger Begeisterung. Gerade dieser tiefe Eindruck, den die poetische Umsetzung der bedrückenden Realität in einem sowjetischen Lager bei den Rezensenten hinterlassen hat, ist in dieser Lesung deutlich spürbar. Zwar plaudert Denis Scheck mit der Autorin über den literarischen Ruhm und fragt, wie denn ihre Mutter auf die Vergabe des Nobelpreises reagiert hätte. Größtenteils geht es jedoch um das Leben unter totalitären Bedingungen - und ihre Nachwirkungen.

Personen auf dem Podium