Studio LCB mit Kurt Drawert

17. Juni 2008
Literarisches Colloquium Berlin

Lesung: Kurt Drawert
Gesprächspartner: Jens Bisky und Peter Geist
Moderation: Maike Albath

Programmtext

"Wir liebten die Welt unter der Erde" - mit dieser Behauptung beginnt Kurt Drawert seinen noch unveröffentlichten Roman, der im Herbst bei Beck erscheinen wird und von einer ungewöhnlichen Erkundung der DDR erzählt. Die Reise führt buchstäblich in die Tiefe: die "Deutsche D. Republik" ist nämlich eine Art Höllentrichter. Drawert, bisher vor allem als Lyriker und Essayist bekannt, wurde 1956 in Henningsdorf geboren, absolvierte nach einer Facharbeiterlehre das staatliche Literaturinstitut "Johannes R. Becher" und veröffentlichte 1987 seinen ersten Gedichtband "Zweite Inventur". Der bekennende "Ostwessi", der inzwischen in Darmstadt lebt, erhielt 1993 für seinen Prosatext "Haus ohne Menschen. Ein Zustand" den Ingeborg-Bachmann-Preis. Das DDR-Thema lässt Drawert bis heute nicht los: in seinem neuen Roman Ich hielt meinen Schatten für einen anderen und grüßte" erteilt er einem Wiedergänger von Kaspar Hauser das Wort und lässt den Findling vom Verschwinden der DDR und der Zeit danach erzählen. Der "Kaspar der Revolution" schildert sein abwechselnd ernstes, komisches, surreales Leben als eine rasante Höllenfahrt durch neun "Schuldbezirke". Er schlägt sich als Titelaufschreiber, Magazinläufer und Nachtwächter durch, bis es mit der Höhlenrepublik plötzlich vorbei ist und der "ostdeutsche Erdling" an der Grenze zum feindlichen Ausland an die Oberfläche vordringt. Kurt Drawert diskutiert mit dem Publizisten Peter Geist und dem Journalisten Jens Bisky (Süddeutsche Zeitung) über das Ende der DDR und die Möglichkeiten, darüber zu schreiben.

Weiterführende Informationen

Maike Albath stellt ihren Gästen gleich zu Beginn die Frage: Wie kann man über die DDR schreiben? Und damit ist das Thema der Sendung angeschnitten. Kurt Drawert beschreibt daraufhin seine schriftstellerische Herangehensweise als eine vorwiegend psychologische. "Gute Literatur kommt aus dem Unterbewusstsein", erklärt er. Und fügt hinzu, entscheidend für das Schreiben des Romans "Ich hielt den Schatten für einen anderen und grüßte" seien die Kränkungen gewesen, die er in einem totalitären System erfahren habe. Peter Geist berichtet, wie er und Kurt Drawert sich als Studenten kennen gelernt hatten - und wie ihn schon damals die Sprachkraft seiner Lyrik beeindruckt habe. Kurt Drawert interpretiert seinen eigenen Werdegang als typische DDR-Biographie. Er sei der aufmüpfige Sohn eines hohen Kriminalbeamten gewesen. Statt zu studieren habe er in einer Sprudelflaschenfabrik gearbeitet oder als Nachtwächter in Bibliotheken seine Runden gedreht. "Das war mein Studium", sagt Drawert. Schließlich dreht sich alles in der Unterhaltung um das Leben in den 80ern in der DDR und den Zusammenbruch.

Personen auf dem Podium