Studio LCB mit Peter O. Chotjewitz

18. März 2008
Literarisches Colloquium Berlin

Lesung: Peter O. Chotjewitz
Gesprächspartner: Tanja Dückers und Jochen Schimmang
Moderation: Maike Albath

Programmtext

Seit Jahrzehnten betreibt Peter O. Chotjewitz etwas, was man unruhige Zeitgenossenschaft nennen könnte. Der Schriftsteller und Jurist wurde 1934 in Berlin geboren, wuchs in Nordhessen auf, absolvierte eine Lehre als Anstreicher im väterlichen Betrieb und studierte Jura. Noch vor dem Zweiten Staatsexamen bekam er vom Literarischen Colloquium Berlin ein Stipendium, und 1965 legte er mit "Hommage à Frantek" sein literarisches Debüt vor. Im folgenden Jahr las er auf dem legendären Treffen der Gruppe 47 in Princeton, bei dem Peter Handke mit seiner Kollegen-Beschimpfung schon den Gestus der Revolte probte. Kurz bevor 1968 die Berliner Szene vollständig erfasste, ging Peter O. Chotjewitz nach Rom in die Villa Massimo, wo er sich von Rolf Dieter Brinkmann eher uncharmant als "Muff-Dichter" beschimpfen lassen musste. Seiner Leidenschaft für Italien tat das keinen Abbruch: Peter O. Chotjewitz wurde der Übersetzer von Dario Fo, und Italien bildet seitdem ein Gegengewicht zu Deutschland. In seinem umfangreichen literarischen Werk tritt er uns einerseits als tollkühner Sprachschöpfer und Bastler entgegen, andererseits als Historiograph und politisch engagierter Dokumentarist. Nach sechs Jahren in Italien eröffnete Chotjewitz dann doch noch eine Anwaltspraxis und vertrat Andreas Baader und Peter Paul Zahl. In seinem Romanfragment "Die Herren des Morgengrauens" (1978), das eine Kontroverse auslöste und schließlich zur Auflösung der AutorenEdition im Bertelsmann Verlag führte, verarbeitet er die Erfahrungen im Umkreis der RAF. Sein jüngster Roman "Mein Freund Klaus" (2007) erzählt von dem Rechtsanwalt Klaus Croissant und resümiert zugleich die eigene Biographie. Mit den Schriftstellern Tanja Dückers und Jochen Schimmang diskutiert Peter O. Chotjewitz über 1968 und die Folgen.

Weiterführende Informationen

Schwerpunkt dieser Sendung ist die Erinnerung an die politisch spannungsreichen 70er Jahre und die RAF - auch weil Chotjewitz' Roman "Mein Freund Klaus" das Leben und Wirken von Klaus Croissant, dem bekanntesten Anwalt der RAF, zum Thema hat. Peter O. Chotjewitz selbst gehörte zum Strafverteidigerkreis der Terroristen und erzählt, wie die Aufgabe ihm angetragen wurde. Offenbar verloren alle Rechtsanwälte von Stammheim nacheinander ihre Posten, so dass mit Chotjewitz befreundete Rechtsanwälte ihn dringend darum baten, eine Kanzlei aufzumachen. Was er dann auch tat, obgleich diese nur einen einzigen Mandanten vertreten hat: Andreas Baader. Interessant ist Chotjewitz' kritische Analyse der BRD. Beispielsweise beschreibt er die Strukturen der 50er-Jahre-Justiz als reaktionär oder weist auf das Verhältnis zwischen Institutionen und ihren Angestellten hin. Er bringt auch ein Beispiel. Er beschreibt das Verhältnis des Literatur- und Musikkritikers Joachim Kaiser zu seinem langjährigen Arbeitgeber, der Süddeutschen Zeitung, als eine spezielle Form der Treuebeziehung. Chotjewitz schließt daraus, dass solche Beziehungen das "Denken einengen".

Personen auf dem Podium