Studio LCB mit Robert Schindel

06. März 1991
Literarisches Colloquium Berlin

Lesung: Robert Schindel
Gesprächspartner: Eduard Goldstücker, Rachel Salamander
Moderation: Hajo Steinert

Programmtext

Der österreichische Lyriker und Prosa-Autor Robert Schindel liest aus bisher unveröffentlichten Texten und diskutiert mit Eduard Goldstücker und Rachel Salamander über seine Arbeit.

Weiterführende Informationen

Drei Generationen jüdischen Lebens sind bei Hajo Steinert zu Gast. Eduard Goldstücker erzählt von seiner unglaublichen Biographie, Rachel Salamander berichtet vom Rest "jüdischen Schtetl-Lebens" in einem Nachkriegs-Lager für "Displaced Persons" und Robert Schindel thematisiert die Vita eines jüdischen Intellektuellen in Wien nach 1945.
Goldstücker, Jahrgang 1913, war Spross einer mittellosen galizisch-jüdischen Familie in einem slowakischen Dorf. Er machte eine im wahrsten Sinne des Wortes erstaunliche Karriere. Er war Diplomat (1950-1951 tschechoslowakischer Botschafter in Israel), politischer Gefangener (man inhaftierte Goldstücker für vier Jahre in einem Lager, in dem Uran abgebaut wurde), Literaturwissenschaftler (er initiierte zu Beginn der 1960er Jahre ein Symposium zu Kafka, das als relevant bewertet wird im Zusammenhang mit dem Prager Frühling) - und er hielt Vorlesungen in Komparatistik an englischen und tschechischen Universitäten. In der Sendung erzählt er von seinem Leben, das 1989 auch durch die Publikation seiner Autobiographie "Prozesse: Erfahrungen eines Mitteleuropäers" in der deutschsprachigen Öffentlichkeit wahrgenommen wurde. Goldstücker starb im Jahr 2000 87jährig! Das sollte man betonen, denn die vier Jahre Zwangsarbeit in einem stalinistischen Lager für Uranabbau verbrachte er ohne jeglichen Strahlenschutz.
Rachel Salamander, 1949 geboren, setzte sich in ihrem 1990 veröffentlichten Buch "Die jüdische Welt von gestern. 1860-1938" mit der jüdischen Welt vor der Shoa auseinander, was auch die Grundlage des Gesprächs bildet. Die Besonderheit hierbei ist, dass Salamander in einem Lager für "Displaced Persons" geboren wurde - eine amtliche Bezeichnung der Alliierten, mit der vor allem etwa Zwei- bis Dreihunderttausend Personen mit jüdischem Hintergrund in der Nachkriegszeit erfasst wurden. Das Historische steht zum einen im Vordergrund, zum anderen die Literaturwissenschaftlerin - und speziell ihr Interesse für das Werk des Lyrikers und Prosa-Autors Robert Schindel.
Einer der Höhepunkte dieser Sendung ist sicherlich der Vortrag eines seiner Gedichte, in dem der Verzehr von Rindfleisch und die Erinnerung an den Holocaust kunstvoll miteinander verflochten werden. Ebenso bemerkenswert ist, wie Schindel aus seinem Roman "Gebürtig" liest, der 1992 bei Suhrkamp erschien und in der jüdisches Denken und Leben im Wien der Jahre vor und nach 1968 geschildert wird.

Personen auf dem Podium