Studio LCB mit Martin Walser

25. Februar 2010
Literarisches Colloquium Berlin

Lesung: Martin Walser
Gesprächspartner: Heinz Ludwig Arnold und Frank Schirrmacher
Moderation: Denis Scheck

Sobald alle Rechtsinhaber zugestimmt haben, wird diese Veranstaltung vollständig nachzuhören sein.

Weiterführende Informationen

Schwerpunkt der Gespräche ist das Tagebuchschreiben. Auch Denis Scheck beginnt die Sendung mit der Frage an Martin Walser, seit wann er Tagebuch schreibe. Der Schriftsteller erklärt daraufhin, warum ihm beim Tagebuchschreiben früh die Erkenntnis gekommen sei, dass der Ausdruck ebenso wichtig sei wie der Inhalt. Er erläutert den Unterschied zwischen sich und dem berühmten Tagebuchschreiber Thomas Mann - warum Mann "aufgeschrieben", er dagegen eine Methode des "hinschreibens" entwickelt habe. Das alles fasst Walser als eine Erfahrung zusammen, die er als "Kondition des Schriftstellers" bezeichnet.
Das Gespräch erfährt eine Wendung nach der Lesung. Die 70er Jahre und ein Verriss von Marcel Reich-Ranicki zu Walsers Roman "Jenseits der Liebe" (im Mai 1976 publiziert) stehen im Mittelpunkt. Die kontrovers und stark emotional geführte Debatte kreist nach Schirrmachers Worten um die letzte Rezeptionsphase einer Schriftstellergeneration in Gestalt von Martin Walser. Dabei ginge es auch um die Kontrolle bei der literaturgeschichtlichen Aufarbeitung. Die Sendung ist reich an Höhepunkten, was vor allem an der Thematisierung des berühmten zwiespältigen Verhältnisses zwischen Martin Walser und Marcel Reich-Ranicki liegt. So stellen die Teilnehmer einmal fest, dass die 2010 veröffentlichten Tagebücher einen Autor offenbaren, der in den 70ern permanent wütend gewesen sei. Man merkt Walser an, dass ihm solche Deutungen missfallen, weswegen er mehrmals kontert, indem er Passagen aus seinem Tagebuch vorliest oder wortreich die Interpretationen zurückweist. Im letzten Drittel geht man auf die Novelle "Mein Jenseits" ein.

Programmtext

"Klassiker" sind einem berühmten Essay von Martin Walser zufolge jene Autoren, "die die meisten Leute am längsten brauchen." Sehr viele Menschen haben Martin Walser in diesem Sinn über die Jahrzehnte gebraucht und brauchen ihn noch. In seinem 83. Lebensjahr ist Martin Walser selbst längst zum Klassiker geworden - und ein höchst produktiver obendrein, wie die großen Erfolge seiner jüngsten Romane "Angstblüte" und "Ein liebender Mann" bei Kritik und Publikum im In- und Ausland belegen. In diesem Frühjahr erscheinen unter dem Titel "Leben und Schreiben" Aufzeichnungen von Martin Walser aus den Jahren 1974 bis 1978 als dritter Band der Tagebuchedition - und unter dem Titel "Mein Jenseits" eine neue Novelle. "Je älter man wird, desto mehr empfiehlt es sich, darauf zu achten, wie man auf andere wirkt" - so der erste Satz von "Mein Jenseits". Martin Walser wird aus seinen neuen Büchern lesen und mit den Kritikern Heinz-Ludwig Arnold und Frank Schirrmacher über die Wirkung auf andere und die Verwandlung von Leben in Literatur diskutieren.

Personen auf dem Podium