Was wird wie bewertet? Welche Personengruppen und Instanzen urteilen über Begehren, Sexualität und geschlechtliches Selbstverständnis von Personen?
Der Ausschnitt zeigt, dass nicht das körperliche sinnliche Erleben einer anderen Person ‚schwierig‘ ist, sondern die Einlesung von außen, die gesellschaftlichen Normen, die Stigmatisierungen und Bestrafungen, die damit verbunden werden. Die Sex-Beschreibungen sind eher konventionell und auf eine Stimulierung von Genitalien reduziert, was aber kennzeichnend ist für einschlägige Sexdarstellungen insgesamt – der Rahmen heteronormativer Vorstellungen wird hier insofern überschritten, als dass es deutlich keiner cis-männlicher Genitalien bedarf, um zu einer körperlichen sexuellen Kommunikation zwischen zwei Personen zu kommen.
Macht Sex in der Literatur Spaß? Wie humorvoll ist das Hören der literarischen Verarbeitung von queerem Sex?
Besonders schön ist das in die Lesung eingebaute Kommentieren der Autorin, in dem diese auf Re_Aktionen aus dem Publikum (nach zu wenig sexueller Explizitheit oder einer zu kurzen Szene) kurz eingeht und am Ende ihre Lesung mit einer heteronormativen Metapher (‚Coitus interruptus‘) unterbricht – selbst also den Text noch mal einbettet in größere Diskurse und zudem sehr humorvoll mit Norm- und Wertevorstellungen in Bezug auf Sexualität umgeht.
Was ist eine historische Geschichte? Gibt es objektive Quellen und objektive Lesarten von Quellen? Inwiefern zeichnen sich Diskriminierte immer auch dadurch aus, dass sie lernen privilegierte, normalisierte Geschichten zu übersetzen, Subtexte zu finden und sich vorzustellen?
Sowohl dieser Text als auch der frühere Roman von Steidele spielt dabei gekonnt mit historischen Figuren bzw. historisiert Diskurse und schafft dadurch eine mögliche Distanz, die zugleich aber auch immer wieder durch vielfache intertextuelle Bezüge überschritten wird.
Siehe auch „Geschichte neu schreiben. Geschichte in den Plural entlassen“ zu Angela Steideles Roman „Rosenstengel“.
Geschichte neu schreiben. Geschichte in den Plural entlassen
Zur HörstationStille Macht – Gewortetes Schweigen
Zur HörstationÜber das Begehren
Zur Hörstation30.01.1999, Ort, Lesung „Lorem ipsum lara est“
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