50 Jahre Gruppe 47 - Brauchen wir heute eine Gruppe 47?
18. März 1997
Literarisches Colloquium Berlin
Gespräch: Reinhard Baumgart, Dagmar Leupold und Burkhard Spinnen
Moderation: Martin Lüdke
Programmtext
In einer Reihe heutiger Schriftstellertreffen lebt das kritische Werkstattgespräch unter Autoren weiter. "Ein Tunnel über der Spree" (Berlin), die "Kranichsteiner Literaturtage" (Darmstadt) oder auch der von Günter Grass gestiftete Alfred-Döblin-Preis (Berlin) bringen Autoren ins Gespräch über ihre neuesten Manuskripte. Warum beteiligen sich heute Autoren an Veranstaltungen, die an die Tradition der fünfziger und sechziger Jahre anknüpfen? Gibt es einen produktiven kritischen Austausch unter den jüngeren Schriftstellern? Füllen solche Gespräche eine Lücke, die die professionelle Literaturkritik in den Feuilletons lässt?
Weiterführende Informationen
Die Diskutanten sprechen u. a. über ein jährliches Autorentreffen, das in Münster stattfindet und an dem Dagmar Leupold und Burkhard Spinnen teilnehmen. Diese Treffen seien allerdings nicht öffentlich - und allein deshalb keineswegs vergleichbar mit der Gruppe 47. Reinhard Baumgart fällt auf, dass die ältere Autorengeneration die Öffentlichkeit gesucht habe, die jüngere eher Schutzräume aufsuche. Weiter behauptet er, Schriftsteller seien damals risikobereiter gewesen. Der zweite Teil der Diskussion dreht sich schließlich um die Frage, warum die Generation um Grass bezüglich der Öffentlichkeit offensiv vorgegangen sei. Doch so eine pauschale Gegenüberstellung lässt Burkhard Spinnen nicht gelten. Martin Lüdke weist darauf hin, dass es ja den großen Wenderoman - vom Feuilleton ersehnt - noch nicht gebe. Spinnen hält gegen diese Forderung die These, dass in Zeiten, in denen historisch überwältigende Ereignisse passieren, die Literatur oftmals schweige. Es gebe ja aus dem Dreißigjährigen Krieg auch nur einen bedeutenden Roman, so Spinnen weiter. Zum Ende der Veranstaltung erläutert Reinhard Baumgart, was er mit dem Begriff "Situationspathos" bezüglich der Gruppe 47 meint.