Eröffnung der Kabinett-Ausstellung „Vom Schreiben 3: Stimulanzien oder Wie sich zum Schreiben bringen?“

18. Juni 1995
Deutsches Literaturarchiv Marbach

Zur Eröffnung sprechen: Peter Rühmkorf, Petra Plättner

Weiterführende Informationen

Peter Rühmkorf liest anlässlich der Eröffnung der Kabinett-Ausstellung „Vom Schreiben 3: Stimulanzien oder Wie sich zum Schreiben bringen?“ im Schiller-Nationalmuseum einen Essay mit dem Titel „Durchgangsverkehr – Über das Verhältnis von Dichtkunst und Drogengenuß“ vor, in dem er beispielsweise Folgendes feststellt: „Über den Glasrand visiert möchte einem der deutsche Dichterolymp manchmal fast wie ein einziger fröhlicher Weinberg erscheinen und unser klassisches Bildungsgebäude wie ein von Bocksbeuteln und Bouteillen getragener Bacchustempel.“ Während angeblich der Duft faulender Äpfel, der aus der Schreibtischschublade strömte, eine stimulierende Wirkung auf Friedrich Schiller ausübte, berauschten sich andere Dichter des 18. Jahrhunderts wie beispielsweise Johann Wolfgang von Goethe, Johann Wilhelm Ludwig Gleim, Matthias Claudius, Gotthold Ephraim Lessing oder auch Georg Christoph Lichtenberg mit Wein, dem sie die Produktivität steigernde Kräfte zuschrieben. Charles Baudelaire beschreibt 1860 in seinem Prosawerk „Les paradis artificiels“ („Die künstlichen Paradiese“) die angeblich bewusstseinserweiternden Wirkungen von Haschisch und Opium. Bekannt sind auch die Drogenexperimente Ernst Jüngers. Peter Rühmkorf berichtet in seinem Essay überdies von seinen eigenen Erfahrungen mit Stimulanzien. Er bemerkt zudem: Unter dem Einfluss tief greifender Drogen bilde sich der Dichtergeist die Welt und verdränge so die vorhandene Wirklichkeit zugunsten einer vorgestellten, nur virtuellen.
Zu den „Stimulantia“, so Petra Plättner, zählen allerdings nicht nur die „klassischen Reizmittel“ wie Kaffee, Nikotin, Alkohol oder Drogen, sondern auch andere Anregungen oder Anreize wie zum Beispiel das Wetter, ein Kunstwerk oder eine Muse. Die Kabinett-Ausstellung „Vom Schreiben 3“ widmete sich daher zum einen den Stimulanzien, die von außen einwirken, die also keine direkten physischen Einwirkungen haben, und zum anderen denjenigen, die man zu sich nimmt, um das eigene Wohlbefinden zu stärken oder zu heben, um in Rauschzustände zu geraten – mit allen Konsequenzen, die bis zur körperlichen Abhängigkeit und oft genug zum Tod durch Überdosen führen.

Personen auf dem Podium