Freispruch für Schiller? Eine Pflichtverteidigung

19. November 2005
Deutsches Literaturarchiv Marbach

Autorentagung: Schiller – Vorbild oder Provokation? Teil 3.
Vortrag: Robert Gernhardt
Einführung: Jan Bürger

Programmtext

Autorentagung: Schiller – Vorbild oder Provokation?
Sibylle Lewitscharoff: „Vatermord, Sohnesmord. Notizen zu einer Wunschaufführung des Don Carlos“ (14.15 Uhr), Georg Klein: „Wie ich ein Held wurde“ (15 Uhr), Ludwig Harig: „Entkörpert steh' ich da. Schillers Spielgedanke“ (17 Uhr), Marlene Streeruwitz: „Kabale und Liebe. Die ödipale Geste, die da noch möglich war“ (17.45 Uhr), Robert Gernhardt: „Freispruch für Schiller? Eine Pflichtverteidigung“ (20 Uhr). Podiumsdiskussion im Anschluss.

Weiterführende Informationen

„Laut und deutlich“, beginnt Robert Gernhardt, sei gesagt, dass er sich „nicht aus Neigung“, sondern als „Pflichtverteidiger“ des Lyrikers Friedrich Schiller annehme – und nur um den gehe es hier. Viel mehr muss dazu gar nicht gesagt werden: Der wohl bekannteste Verfasser komischer Lyrik verteidigt den „Schwerpathetiker“ Schiller gegen die Anklage, sein Ton sei passé, er selbst ein „gipserner Klassiker“ und seine Dichtung in toto nur Ornament eines überkommenen Idealismus. Die Rede vom „Pflichtverteidiger“ ist dabei nicht nur ironische Metapher, sondern auch formales Prinzip der Rede Gernhardts, der nichts weniger als ein klassisches Plädoyer für den nicht gerade innig geliebten, großen Kollegen hält: Immer wieder wendet er sich mit den Formeln „Hohes Gerichte“ und „Meine Damen und Herren Geschworenen“ an das Publikum, wodurch er implizit nahelegt, nicht nur Schiller stünde hier vor Gericht, sondern auch die Rezeptionshaltung des Publikums, die ja erst aus dem Klassiker einen Klassiker macht. Robert Gernhardt kommt am Ende zum Freispruch, nachdem er Balladen wie Die Kraniche des Ibykus und den Taucher besprochen und den Blick vor allem auf den sprachschöpferischen und lustvollen Schiller gelenkt hat. Schiller sei eben kein „gipserner Klassiker“, kein „abgetaner Dichter“ und kein „kopflastiger Bebilderer von Ideen“. Dagegen stünden seine „ganz und gar unklassischen Gedichte“, seine „quicklebendigen Worterfindungen“ und schließlich seine „Ausdruckswut“, die zeigt, dass hier der Künstler zuerst komme und dann erst die Ideen, das Ideale. Schiller sei in Wahrheit „ein Ideartist, dem wir Werke der Kunst verdanken, welche Maßstäbe gesetzt haben: Wer ihm am Kessel flicken will, muss eine verdammt heiße Nadel führen.“

Personen auf dem Podium