Literarischer Club
21. November 1997
Literarisches Colloquium Berlin
Gesprächsteilnehmer: Martin Lüdke, Beate Pinkerneil, Mathias Schreiber und Stefan Speicher
Weiterführende Information
Zu Günter Kunerts Buch "Erwachsenenspiele. Erinnerungen" stellen die Diskutanten fest, dass das Verhältnis des Autors zur Welt ein in jeder Hinsicht bemerkenswert distanziertes ist. Einer der Kritiker spricht in dem Zusammenhang sogar von einer bürokratischen Sprache. So kommt Günter Kunerts Autobiographie nicht gut weg. Erinnerungen seien nicht sein Projekt, meint Speicher einmal. Auch moniert man eine "gigantomanische" Eitelkeit, die durch den Text dringen würde.
Christoph Heins Roman "Von allem Anfang an" hält die Runde wegen seiner realistischen Darstellung der 50er Jahre in der DDR dagegen für gelungen. Pinkerneil spricht sogar in Bezug auf Heins stilistische Fähigkeiten von "fontanischen Qualitäten". Auch Zoe Jennys Erstling "Blütenstaubzimmer" wird größtenteils mit Lob versehen, wenngleich die vielen "Bilder und Metaphern" im Text die Rezensenten 'genervt' haben. Aber solche Mängel wertet man als Ergebnis einer jungen und unerfahrenen Autorin. Die Geschichte Zoë Jennys zeige die gescheiterten Erziehungsversuche der 68er-Generation. Martin Lüdke befürchtet jedoch, dass die talentierte Autorin "zu schnell verbrennen" würde - und schon mit ihren Nachfolgebüchern den Erstlingserfolg nicht würde toppen können. Bei der Ehebruchsgeschichte von Birgit Vanderbeke "Alberta empfängt ihren Liebhaber" kommt es zum Dissens: Pinkerneil verteidigt den Roman, Schreiber findet diesen dagegen trivial.
Programmtext
Vier Neuerscheinungen im Urteil der Literaturkritik: Christoph Hein, „Von allem Anfang an“ (Aufbau); Günter Kunert, „Erwachsenenspiele. Erinnerungen“ (C. Hanser Verlag); Birgit Vandrbeke, „Alberta empfängt einen Liebhaber“ (Alexander Fest Verlag); Zoë Jenny, „Das Blütenstaubzimmer“ (Frankfurter Verlagsanstalt). Die Diskussionsteilnehmer: Mathias Schreiber (Der Spiegel, Hamburg), Gustav Seibt (Berliner Zeitung), Martin Lüdke (SWF, Mainz) und die Gesprächsleiterin Beate Pinkerneil (ZDF, Mainz).
Anmerkung: Statt Gustav Seibt nahm Stefan Speicher von der Berliner Zeitung an dieser Ausgabe des Literarischen Clubs teil.