Literarischer Club

22. November 1994
Literarisches Colloquium Berlin

Gesprächsteilnehmer: Martin Lüdke, Beate Pinkerneil und Mathias Schreiber

Weiterführende Information

Diese Radiosendung  beginnt mit einer Diskussion über Handkes Buch „Mein Jahr in der Niemandsbucht“, ein etwa 1050 Seiten langer Roman, der 1994 in den Feuilletons große Beachtung fand. Schon die Rezensionen sowie die Reaktionen des „Literarischen Quartetts“ zeigten, dass das Werk unterschiedliche Meinungen hervorrief. So auch hier. Denn Mathias Schreiber umschreibt seine Lektüreerfahrung zunächst mit distanzierenden Beschreibungen. Er befinde sich in „Verlegenheit“ gegenüber dieser „theologischen Summe“, in dem offenbar nicht die Figuren im Mittelpunkt stünden, sondern „das Schreiben“. Beate Pinkerneil und Martin Lüdke verteidigen die „Niemandsbucht“. Gerade das, was am handk'schen Romankonzept am stärksten in die Kritik geriet, nämlich der so genannte „hohe Ton“ und die Abkehr von sozialrealistischen Beschreibungsmodi, eben gerade das - darauf verweisen beide Rezensenten mehrmals - sei die herausragende Leistung des Textes.
William Carlos Williams „Die Autobiographie“ hält Martin Lüdke teilweise für „dünn und verschwätzt“, Schreiber brachte sie größtenteils ins Schwärmen.
Bei Andrzej Szczypiorskis „Selbstporträt mit Frau“, zeigen sich die Teilnehmer beeindruckt, betonen jedoch auch, dass es „ziemlich kitschige Passagen“ in dem Werk gäbe.
Marion Titzes literarisches Debüt „Unbekannter Verlust“ beschreiben die Kritiker als „Geschichte der Wende“ und Beschreibung der „Veränderung der Mentalitäten“ in Deutschland. So werten sie Titzes Text als „gelungenes politisches Buch“, wenngleich sie die Neigung der Autoren zu „Sentenzen“ kritisieren.

Programmtext

Vier Literaturkritiker nehmen wichtige literarische Neuerscheinungen unter die Lupe. Zur Debatte stehen das mit Spannung erwartete opus magnum aus Österreich: „Meine Zeit in der Niemandsbucht“ von Peter Handke (Suhrkamp), Mario Titzes Debutband „Unbekannter Verlust“ (Rowohlt Berlin), das neue Buch von Andrej Szczypiorski, „Selbstportrait mit Frau“ (Diogenes) sowie die „Autobiographie“ von William Carlos Williams (Hanser). Die Diskussionsteilnehmer: Martin Lüdke (Börsenblatt, Frankfurt/M.), Annette Meyhöfer (freie Kritikerin, Hamburg), Mathias Schreiber (Der Spiegel, Hamburg), und die Gesprächsleiterin Beate Pinkerneil (ZDF).

Anmerkung: Annette Meyhöfer nahm nicht wie angekündigt an der Sendung teil.

Personen auf dem Podium