Literarischer Club

18. September 1998
Literarisches Colloquium Berlin

Gesprächsteilnehmer: Cornelia Geißler, Martin Lüdke, Beate Pinkerneil und Mathias Schreiber

Weiterführende Information

„Fesselnd ist es nicht wirklich.“ Mit diesen Worten beschreibt Mathias Schreiber seinen Eindruck von Martin Walsers Roman "Der springende Brunnen". Er zweifelt sogar daran, ob der autobiographische Stoff (eine Kindheit am Bodensee in den 30er Jahren), wäre er nicht von Martin Walser gewesen, ihn überhaupt interessiert hätte. Ein kurioses Schlusswort in einer Debatte, in der Walsers Roman als „positive Sensation“ und als subtile Vergangenheitsbewältigung interpretiert wird. Aber genau um dieses ambivalente Spannungsverhältnis, welches der Autor und seine Bücher auslösen, geht es auch hier.
Bei Grit Poppes Erstling „Andere Umstände“ begeistert vor allem die amoralische Hauptfigur, eine sympathische Mörderin, die mit Charme erzählt, wie sie reihenweise ihre Lebenspartner um die Ecke bringt. In Philip Roths Roman "Amerikanisches Idyll" stören Mathias Schreiber beispielsweise die ausführlichen Beschreibungen typisch amerikanischer Sportarten wie Baseball und Basketball - das sei ja für deutsche Leser doch etwas schwierig. Dennoch hält er den Roman für ein eindrucksvolles Gesellschaftspanorama. Milan Kunderas Roman "Die Identität" wird als größtenteils peinlich empfunden. Besonders ein Detail findet man beklagenswert: Dass die Heldin an sie adressierte Liebesbriefe in ihrem Büstenhalter aufbewahrt. Das sei doch arg symbolüberladen.

Programmtext

Vier Neuerscheinungen im Urteil der Literaturkritik: Martin Walser, „Ein springender Brunnen“, (Suhrkamp Verlag); Philip Roth, „Amerikanisches Idyll“ aus dem amerikanischen Englisch von Werner Schmitz (Hanser Verlag); Grit Poppe, „Andere Umstände“ (Berlin Verlag); Milan Kundera, „Die Identität“, aus dem Französischen von Uli Aumüller (Hanser Verlag). Die Diskussionsteilnehmer: Mathias Schreiber (Der Spiegel, Hamburg), Gustav Seibt (Berliner Zeitung), Martin Lüdke (SWF, Mainz) und die Gesprächsleiterin Beate Pinkerneil (ZDF, Mainz).

Anmerkung: Der im Programm angekündigte Gustav Seibt war kurzfristig verhindert gewesen, für ihn nahm Cornelia Geißler an dieser Sendung des Literarischen Clubs teil.

Personen auf dem Podium