Literarischer Club
12. Mai 1999
Literarisches Colloquium Berlin
Gesprächsteilnehmer: Cornelia Geißler, Martin Lüdke, Beate Pinkerneil und Mathias Schreiber
Weiterführende Information
Eines haben Cees Nootebooms Roman "Allerseelen" und Peter Schneiders Buch "Eduards Heimkehr" gemeinsam: Sie spielen in Berlin. Beide Bücher loben die Kritiker sehr, unter anderem für die Beschreibung Berlins kurz nach dem Mauerfall. Moniert wird aber beispielsweise die unendliche Plauderei der Figuren in Nootebooms Roman.
Eines der berühmten Bücher Michel Houellebecqs wird hier vorgestellt: "Ausweitung der Kampfzone", sein literarisches Debüt, durch welches der französische Autor schlagartig berühmt wurde. Die Diskussionsteilnehmer interpretieren den Text als "eine Art zynischen Existenzialismus" und als "Reaktion auf den Sieg des Kapitalismus". Sie beschreiben den Roman als "ungeheuer kunstlos", als "intensive Lektüre" und als "Thesenstück".
Eine der letzteren Arbeiten von Thomas Brasch, "Mädchenmörder Brunke", findet nur teilweise Gnade in den Augen der Literaturkritiker. Durchaus sieht man den "Ausdruck von Leiden" in einer "expressiven Prosa" - so Mathias Schreiber. Aber Beate Pinkerneil hält den Text für gänzlich misslungen und "verquast". Lüdke und Schreiber, die ebenfalls keine bekennenden Thomas-Brasch-Fans sind, versuchen zu kontern, dass der Autor gar nicht beabsichtigt habe, ein Erzähler zu sein, sondern dass es ihm eher darauf angekommen sei, ein "absichtvolles Wirrsein" herzustellen.
Programmtext
Vier Neuerscheinungen im Urteil der Literaturkritik: Peter Schneider „Eduards Heimkehr“ (Rowohlt Berlin); Harry Mulisch „Die Prozedur“, aus dem Niederländischen von Gregor Seferens (Hanser Verlag; Thomas Brasch „Mädchenmörder Brunke“ (Suhrkamp Verlag) und Cees Nooteboom „Allerseelen“, aus dem Niederländischen von Helga van Beuningen (Suhrkamp Verlag). Die Diskussionsteilnehmer: Mathias Schreiber (Der Spiegel, Hamburg), Cornelia Geißler (Berliner Zeitung), Martin Lüdke (SWR, Mainz) und die Gesprächsleiterin Beate Pinkerneil (ZDF, Mainz).
Anmerkung: Statt wie im Programm angekündigt wurde nicht Harry Mulischs "Die Prozedur" sondern der Roman "Ausweitung der Kampzone" von Michel Houellebecq diskutiert.