Seltsame Sterne. Lesung und Gespräch

16. Juni 2007
Deutsches Literaturarchiv Marbach

Lesung: Emine Sevgi Özdamar
Moderation: Jan Bürger

Programmtext

Emine Sevgi Özdamar wurde im Südosten der Türkei geboren und war zunächst Schauspielerin. Romane wie Die Brücke vom Goldenen Horn oder Seltsame Sterne starren zur Erde machten die Kleist-Preisträgerin berühmt. Im Rahmen eines Seminars der Washington University St. Louis.

Weiterführende Informationen

Emine Sevgi Özdamar liest aus ihren beiden autobiographischen Romanen „Die Brücke vom Goldenen Horn“ und „Seltsame Sterne starren zu Erde“, die zusammen mit „Das Leben ist eine Karawanserei, hat zwei Türen, aus der einen kam ich rein, aus der anderen ging ich raus“ ihre Istanbul-Berlin-Trilogie bilden
In „Die Brücke vom Goldenen Horn“, aus dem Emine Sevgi Özdamar zunächst liest, werden ihre Übersiedlung nach Berlin und ihre ersten Schritte in der damals noch geteilten Stadt beschrieben. Die junge Sevgi möchte die Schauspielschule in Istanbul besuchen, was ihr von den Eltern untersagt wird. Also entschließt sie sich, Anfang der 60er Jahre als Gastarbeiterin nach Berlin zu gehen. Die später erfolgreiche Schauspielerin kommt als Arbeiterin in einer Fabrik für Radiolampen mit dem deutschen Theater sowohl in West- als auch in Ost-Berlin in Berührung. Der stark gestisch operierende Text lässt dabei die deutsche Sprache bereits als eine Art Bühne eines polylingualen Auftritts begreifen: Die Migration wird so auch zu einer Reise in eine Sprache, in der man Wörtern eher wie fremden Gestalten begegnet, deren Eigenheiten man durch Nachahmung besser kennenlernen und schließlich durch ein fast körperliches Verstehen mit Eigenem anreichern kann: „Ich konnte kein Wort Deutsch und lernte die Sätze so, wie man, ohne Englisch zu sprechen, I can't get no satisfaction singt.“ Dieses produktive Wechselspiel aus Aneignung und Darstellung wird in „Seltsame Sterne starren zur Erde“ ins West-Berliner WG- und ins Ost-Berliner Theaterleben der 70er Jahre fortgesetzt, wobei die Autorin den politischen Ernst jener Zeit kultureller Umwälzung bestehen lässt – mit allem dazu nötigen Humor.
Im anschließenden Gespräch sprechen Jan Bürger und Emine Sevgi Özdamar über Antriebe und Voraussetzungen ihres autobiographischen Schreibens. Viel erzählt die Autorin von ihrer ersten Begegnung mit Benno Besson in Ost-Berlin und ihrem Wunsch, bei dem berühmten Brecht-Schüler das Brecht'sche Theater zu lernen. Jener speiste sich aus der Entfremdung von ihrer türkischen Muttersprache und ihrer türkischen Heimat mit deren politischer Realität der Unterdrückung und Militärputsche. Denn dort habe sie vor allem die Sprache Brechts gerettet.

Personen auf dem Podium