Studio LCB mit Alexander Kluge

16. Januar 2001
Literarisches Colloquium Berlin

Lesung: Alexander Kluge
Gesprächspartner: Jörg Drews und Aris Fioretos
Moderation: Hubert Winkels

Programmtext

Alexander Kluge ist eine Ausnahmeerscheinung unter den deutschen Intellektuellen. Nicht nur, daß er erfolgreich verschiedene künstlerische und technische Medien für seine eigensinnige Geschichts- und Phantasiearbeit nutzt, er operiert in den Medien auch auf der Ebene von Management und Produktion. Der konkrete Zugriff auf die Infrastruktur der Geschichte ist in seinen frühen Büchern und Filmen bereits angelegt. Schon die "Lebensläufe" von 1962 entfernen sich vom rein Dokumentarischen, indem sie Gefühle und Phantasien als Teil der allgemeinen gesellschaftlichen Produktion zur Darstellung bringen. Kluges Arbeit ist ein fortlaufendes Projekt mit einem offenen Werkcharakter. So ist auch sein 'neues', mehr als zweitausend Seiten starkes Buch "Chronik der Gefühle"(Suhrkamp Verlag 2000) eine Fortschreibung seiner früheren Arbeiten. Hier finden sich, gelegentlich umgestaltet, die "Lebensläufe" wieder, die "Lernprozesse mit tödlichem Ausgang" oder die Geschichten aus "Unheimlichkeit der Zeit". Die vielen neuen Texte haben ihr Scharnier an der historischen Zäsur von 1989/90. Kluge wird aus seiner "Chronik der Gefühle" lesen; mit ihm diskutieren der schwedische Schriftsteller Aris Fioretos ("Die Seelensucherin", Dumont Verlag 2000) und der Literaturwissenschaftler und -kritiker Jörg Drews.

Weiterführende Informationen

Das Erscheinen von "Chronik der Gefühle" war im Frühjahr 2001 ein literarisches Ereignis. Zum einen weil der Autor, Alexander Kluge, über ein Jahrzehnt lang nichts publiziert hatte. Zum anderen, weil Kluge zu dem Zeitpunkt durch seine Interviewfernsehsendungen auf RTL, SAT 1 und VOX eher bekannt war denn als Schriftsteller. Gerade deswegen geht man im ersten Teil auf diese zwei Aspekte ein: Das lange Schweigen des Autors und seine starke Präsenz in einem anderen Medium. Alexander Kluge berichtet dann, warum er so lange nichts geschrieben habe. In den 80ern hatte er Schwierigkeiten, weil ihm die Lust am Verfassen von Chroniken vergangen sei. Er deutet diese Unlust auch als ein Ergebnis des Zeitklimas. Die ständige Raketendrohung, die "abgeschlossenen Gesellschaften" in Ost und West etc. Aber in den frühen 90ern habe ihn die Begegnung mit Heiner Müller "infiziert" und die Lust in ihm geweckt, wieder an Texten zu arbeiten.

Personen auf dem Podium