Studio LCB mit Cees Nooteboom

16. Januar 1997
Literarisches Colloquium Berlin

Lesung: Cees Nooteboom
Moderation: Hajo Steinert
Gesprächspartner: Rüdiger Safranski

Weiterführende Informationen

Diese Studio-LCB-Sendung bezieht ihre Energie aus den angeregten Erklärungen, mit denen die Teilnehmer ein Phänomen zu deuten versuchen: Im Mittelpunkt steht die alte Frage nach den Gemeinsamkeiten von Dichter und Philosoph. Was trennt und verbindet beide? Anders formuliert: In welchem kontrastierenden Licht sehen sich der Theoretiker Rüdiger Safranski und der Schriftsteller Cees Nooteboom? Wie sieht ihre Freundschaft im Sinne einer geistigen Wahlverwandschaft aus? Ist mit der Feststellung des Moderators Hajo Steinert, dass der eine gern reise (Nooteboom), der andere eher ein "Stubenhocker" (Safranski) sei, ein signifikanter Unterschied zwischen beiden Disziplinen umfassend beschrieben?
Die Intention, die Eigenschaften des jeweils anderen zu bestimmen, kommt nach der ersten Lesung sehr schön zum Ausdruck, als Safranski erläutert, warum er "die Poeten beneide". Die Dichter seien in der Lage, "in Bildern zu denken", während die Theoritker "die langweiligen Subtexte zu starken Bildern produzieren" würden. Das mag man auf den ersten Blick als etwas kokette Aussage werten, aber beim Hören der Diskussion wird einem sofort klar, dass Safranski in Nooteboom einen Autor sieht, den er auch wegen seines Blicks auf gegenwärtige deutsche Verhältnisse schätzt. Er bescheinigt dem Holländer die Fähigkeit zur "Supervisionsperspektive". Gemeint ist damit, dass Nooteboom die "deutschen Angelegenheiten, deutschen Querelen" - so Safranski weiter - aus der Distanz mit interessierter Teilnahme beobachte und beurteile. Die freundschaftliche Atmosphäre erweist sich dann als ein Beleg für ein Klima gegenseitiger Neugier, Achtung und Differenz, welches das niederländisch-deutsche Intellektuellen-Nachkriegsverhältnis wiederspiegelt.
Ein Höhepunkt in dieser Sendung ist sicherlich der anekdotenreiche Bericht beider Autoren, die durch unglaubliche Koinzidenzen in den frühen 90er Jahren zusammengeführt wurden.


Programmtext

Das Reisen spielte für den 1933 in Den Haag geborenen Schriftsteller Cees Nooteboom zeit seines literarischen Lebens eine große Rolle. Das erste Kapitel seines Romandebüts "Philip en de anderen" schrieb er in einem Eisenbahnzug. In der Folge machte sich Nooteboom in den Niederlanden vor allem als Verfasser subtil erzählter Reisebilder einen Namen. In den achtziger Jahren kehrte er zur fiktionalen Prosa zurück. "Die folgende Geschichte", für die er 1993 mit dem Europäischen Literaturpreis ausgezeichnet wurde, verbindet Motive aus Andersens Märchen mit einer ganz realen Liebesgeschichte. Als Stipendiat des Künstlerprogramms des DAAD hatte Nooteboom Gelegenheit, den Fall der Mauer und die Wiedervereinigung aus der Nähe mitzuerleben. Spätestens seit seinen "Berliner Notizen" (edition suhrkamp) wurde er in Deutschland zum vielgelesenen Autor. Auch in den neunziger Jahren zog es ihn immer wieder nach Berlin, neue Reisenotizen entstanden. Eine Sammlung Europäischer Reisen erscheint im Frühjahr unter dem Titel "Die Dame mit dem Einhorn" im Suhrkamp Verlag. Cees Nooteboom liest aus neuen Texten und diskutiert mit dem in Berlin lebenden Rüdiger Safranski - Autor der Heidegger-Biographie "Ein Meister aus Deutschland (Hanser Verlag) - und mit Hajo Steinert vom Deutschlandfunk.

Personen auf dem Podium