Studio LCB mit Dieter Wellershoff

21. Juli 2009
Literarisches Colloquium Berlin

Lesung: Dieter Wellershoff
Gesprächspartner: Helge Malchow und Ulrich Kock-Blunk
Moderation: Maike Albath

Programmtext

Sein Prinzip ist Vielseitigkeit: der Kölner Schriftsteller Dieter Wellershoff hat Romane, Erzählungsbände, Monographien, Essays, Hörspiele und Drehbücher verfasst. Er hat sich zu literaturgeschichtlichen Fragestellungen ebenso geäußert wie zu philosophischen oder politischen Problemen. 1925 in Neuss geboren, ging er 1959 als Lektor zu Kiepenheuer & Witsch, förderte Autoren wie Nicolas Born und Rolf Dieter Brinkmann, entwickelte das Konzept des "neuen Realismus" und trat für ein Erzählen des alltäglichen Lebens mit all seinen Abgründen ein. Diesem Grundsatz ist er in seinen Romanen von "Die Schattengrenze" (1969), "Einladung an alle" (1972) bis zu "Der Liebeswunsch" (2000) und dem Erzählungsband "Das normale Leben" (2005) treu geblieben. Sein jüngstes Buch "Der Himmel ist kein Ort", das im August 2009 erscheinen wird, erzählt von der Sinnkrise eines evangelischen Pfarrers. Spät am Abend wird Pastor Henrichsen zu einem Unfallort gerufen. Dort trifft er auf einen Studienrat, dessen Auto mit Frau und Kind im Baggersee gelandet ist. Die Frau ist tödlich verunglückt, der Sohn wird mit einem schweren Hirnschaden ins Krankenhaus eingeliefert. Ralf Henrichsen hält an der Unschuldsvermutung fest, stößt bei seinen Bemühungen um den verstörten Lehrer aber an seine Grenzen. Gleichzeitig ergreift das Dorf Partei für die Familie der verstorbenen Frau. Der junge Pfarrer gerät zunehmend in die Isolation, fragt sich nach den Grundlagen seiner seelsorgerischen Pflichten und wird schließlich vom Dienst freigestellt. Dieter Wellershoff liest im Studio LCB zum ersten Mal aus seinem neuen Roman und diskutiert mit seinem Verleger Helge Malchow und dem Theologen Ulrich Kock-Blunk über zeitgenössische Existenzgefährdungen.

Weiterführende Informationen

Welche Rolle hat Dieter Wellershoff in seinem langen Leben bevorzugt: Die des Schriftstellers, Lektors, Herausgebers oder Essayisten? Das möchte Moderatorin Maike Albath vom Autor zu Beginn der Aufnahme wissen. Wellershoff empfindet sich allerdings gar nicht so sehr als "multiple Persönlichkeit" - und führt weiter aus, dass ein der Literatur gewidmetes Leben - ergo "das Schreiben" - sich ja nicht unbedingt "auf bestimmte literarische Formen" orientiert. Das Thema des Schriftstellers sei ohnehin das Leben, "sein Leben, das Leben der Zeitgenossen". Überdies berichtet Wellershoff, wie er nach dem Soldatendasein im Zweiten Weltkrieg durch eine schwere Verwundung begriffen habe, dass sich dem Menschen das Leben stets als ein Geschenk, aber gleichzeitig auch als ein Problem darstelle. Selbst im hohen Alter höre der Mensch nicht auf, ein unfertiges Wesen zu sein, ein "ewiger Novize", der "Verführungen" unterliege. Deswegen sei ja Literatur auch in gewisser Weise gefährlich, weil "es das Leben vor allem in Krisenzeiten" beschreibe.

Personen auf dem Podium