Studio LCB mit Peter von Becker
01. März 1994
Literarisches Colloquium Berlin
Lesung: Peter von Becker
Moderation: Hajo Steinert
Gesprächspartner: Johannes Willms, Helmut Böttiger
Sobald alle Rechtsinhaber zugestimmt haben, wird diese Veranstaltung vollständig nachzuhören sein.
Weiterführende Informationen
Peter von Beckers Roman "Die andere Zeit" wurde von der Literaturkritik gnadenlos verrissen. Das ist insofern wichtig, weil hier der für das Studio-LCB seltene Fall eintritt, dass beide Kritiker sich in ihrem vernichtenden Urteil einig sind. Der Grund hierfür liegt vor allem in dem Milieu, das der Autor beschreibt: Seine Figuren bewegen sich in einem Umfeld, dass der Klasse zum Verwechseln ähnlich sieht, dessen soziales Gefüge - bis hin zum Habitus - von den verschiedenen Zweigen der alt-bundesrepublikanischen Kulturindustrie tief geprägt wird. Anders: Man besucht die gleichen Restaurants, hat ähnliche Jobs und Interessen, ähnliche Obsessionen, Abneigungen usw. Dass Johannes Willms dem Roman von Becker attestiert, dass er durchaus eine Qualität in der Diagnostik seiner Zeit aufweist, welche aber die Zeitgenossen bloß noch nicht würdigen könnten (wobei er dann an Balzac erinnert), wirft ein Licht auf das Kritiker-Urteil: Der Roman ist aus der Perspektive der Rezensenten vollkommen missraten. Bezeichnend sind ebenfalls Willms Ausführungen zu den Dialogen. Peter von Beckers Figuren unterhalten sich vorwiegend über Kunsttheorien oder erörtern gerne Episoden der Literaturgeschichte. Sein lapidarer Kommentar, er würde in derart kultivierter Stimmung nicht leben wollen, wirkt wie ein Revolverschuss. Helmut Böttiger, der für Hellmuth Karasek einsprang, analysiert den Roman etwas sachlicher, kommt aber zu einem ähnlichen Befund: Der Text ist misslungen. Jürgen von Beckers Verteidigung ist angesichts solcher Urteile erstaunlich gefasst und sachlich, eloquent sind seine Erwiderungsreden.
Programmtext
Peter von Becker, Schriftsteller und Herausgeber von "Theater heute", liest aus seinem in Kürze erscheinenden Roman "Die andere Zeit" (Suhrkamp Verlag). Er spielt u. a. im Berliner Kulturbetrieb der Wendejahre 1989/90. Gesprächspartner sind Hellmuth Karasek (Der Spiegel) und Johannes Willms (Feuilletonchef der Süddeutschen Zeitung).