Studio LCB mit Sibylle Lewitscharoff

14. Mai 2002
Literarisches Colloquium Berlin

Lesung: Sibylle Lewitscharoff
Moderation: Denis Scheck
Gesprächspartner: Ursula März, Martin Mosebach, Christiane Schmidt

Sobald alle Rechtsinhaber zugestimmt haben, wird diese Veranstaltung vollständig nachzuhören sein.

Programmtext

"Einem Verrückten gefällt die Welt wie sie ist, weil er in ihrer Mitte wohnt. Nicht irgendwo in irgendeiner Mitte, sondern in der gefährlich inschüssigen Mittemitte, im Zwing-Ei." Als Sibylle Lewitscharoff 1998 für einen Auszug aus ihrem Debütroman "Pong" (Berlin Verlag 1998) den Ingeborg-Bachmann-Preis erhielt, war der Chor der deutschen Gegenwartsliteratur um eine ganz und gar eigenständige Stimme verstärkt. In originellen Bildern und mit der Wucht einer sehr anschaulichen Sprache, gespeist aus dem Alten Testament und den Grimmschen Märchen, schrieb die 1953 geborene Autorin über einen Verrückten, doch keinen tumben Toren oder freundlichen Rain Man, im Gegenteil: "voll mit überscharfem Senf" war Pong, Senf, "den sich mit Rücksicht auf den eigenen Anus keiner mehr so leicht auf die Wurst schmiert." Es gab kein Außen in diesem Buch, kaum daß ein paar Straßennamen den Schauplatz Berlin und einige zeitgenössische Requisiten die Gegenwart andeuteten. Nun hat die studierte Religionswissenschaftlerin Sibylle Lewitscharoff einen Roman geschrieben, der von einer Neuverfilmung von Veit Harlans antisemitischem Propagandafilm "Jud Süß" handelt und in Stuttgart und Rom spielt. Aus diesem noch unveröffentlichten Manuskript wird die Autorin lesen und mit der Literaturkritikerin Ursula März sowie dem Schriftsteller Martin Mosebach über ihre Arbeit diskutieren.

 

Weiterführende Informationen

2002 erschien von Heinz Schlaffer ein Essay, in dem behauptet wurde, nach 1950 hätte die deutschsprachige Literatur durch die zunehmende Säkularisierung der Gesellschaft einen dramatischen substantiellen Verlust erlitten. Mit Schlaffers polemischen Thesen konfrontiert Denis Scheck seine Gäste, die dessen Behauptungen schließlich versuchen zu widerlegen. Allen voran Martin Mosebach, der ausführlich darlegt, dass die Überschneidung theologischer und ästhetischer Überlegungen in literarischen Traditionen kein deutsches Privileg sei - und der an die Geschichte der spanischen und russischen Literatur erinnert. Über diesen weiten Bogen gelangt man zu einer Diskussion über Lewitscharoffs Werk, welches einen religiösen Unterbau aufzeigt. Auch ihr Manuskript, welches "Nach Rom" heißt, verweist auf ein theologisches Thema. Derart religiös gefärbt ist dann die Debatte nicht. Jedoch geht es hier um die Grundsatzfrage, wie viel Religion in den modernen Künsten steckt.

Personen auf dem Podium