„SUNRISE. Das Buch Joseph“
10. Oktober 2012
Deutsches Literaturarchiv Marbach
Lesung: Patrick Roth
Moderation: Anna Kinder
Weiterführende Informationen
Die Lesung des Autors Patrick Roth fand im Rahmen der Tagung "Die Wiederentdeckung der Bibel bei Patrick Roth: Von der Christus-Trilogie bis SUNRISE. Das Buch Joseph" (10. bis 11. Oktober 2012) statt.
Anna Kinder betont in ihrer Einführung, dass sich die Poetik Patrick Roths durch das kriminalistische Suchen, das Infragestellen und das Aufdecken charakterisieren lasse. Im Zentrum des Romans "SUNRISE" steht eine vergessene Figur der Bibel: Die ägyptische Sklavin Neith erzählt im Rückblick die Geschichte des Joseph von Nazaret, des Mannes von Maria, von vor der Geburt Jesu an. Mit diesem "Buch Joseph" wird sozusagen eine Leerstelle der Bibel, des Buchs der Bücher, gefüllt. In einer Verbindung von Romanrealität und den Träumen Josephs, so Anna Kinder, werde das Leben Josephs als eine Mischung aus Abenteuer- und Versuchungsgeschichte geschildert. Zudem werde Joseph als ein zweifelnder, verzweifelter und dabei höchst menschlicher Held vorgestellt.
Die Sogkraft von Patrick Roths biblisch-archaisierender Sprache wird in der anschließenden Lesung aus diesem Roman eindrücklich erfahrbar.
Im Gespräch mit dem Autor geht es beispielsweise um das Buchcover, auf dem ein Auszug aus dem Gemälde "Die Flucht nach Ägypten" (1609) von Adam Elsheimer zu sehen ist. Laut Anna Kinder ist dieses Gemälde in der Kunstgeschichte vor allem für seine Darstellung des Himmelsgewölbes bekannt. Hierbei handelt es sich nämlich um eine der ersten frühen Darstellungen, bei der die Milchstraße aus lauter einzelnen Sternen zusammengesetzt abgebildet wird. Patrick Roth berichtet, dass er vor etwa sechs Jahren die Kurzgeschichte "Lichternacht" geschrieben habe und dass in der Hauptfigur dieser modernen Weihnachtsgeschichte namens Joe Travers bereits das Josephs-Thema angesprochen werde. In den Wochen nach Abgabe dieser Kurzgeschichte bei der ZEIT habe er im Traum u. a. das eindrucksvolle Bild der Milchstraße gesehen und drei Tage später sei er auf einen Zeitungsartikel gestoßen, in dem es eben um dieses Gemälde von Adam Elsheimer ging. Daraufhin war er sich offenbar sicher, dass dieses Josephs-Thema noch nicht zu Ende behandelt war und so entstand "Das Buch Joseph", das gewissermaßen eine moderne Form von Bibeldichtung darstellt. Die Auseinandersetzung mit den eigenen Traumbildern verbindet den Autor Patrick Roth folglich mit der biblischen Gestalt Joseph, von dem vier Träume überliefert sind, und natürlich auch mit der fiktiven Romanfigur in "SUNRISE".
Bezeichnenderweise bekennt Patrick Roth, dass für ihn "wirkliche Literatur" immer über das Ästhetische hinausgehen müsse. Diese angeblich "klare Trennung zwischen Literatur und Religion" sehe er selbst nicht.