Zwiesprachen V: Marcel Beyer über Muskatplüt

09. Dezember 2015
Stiftung Lyrik Kabinett

Die deutschsprachige Gegenwartslyrik empfängt wichtige Impulse aus einer lebendigen Auseinandersetzung mit den Dichtern der internationalen Tradition. Die Reihe „Zwiesprachen“ fragt: Wer wird gelesen? Wer begeistert?
Eine Reihe des Lyrik Kabinetts, München.

Programmtext

Marcel Beyer: „Schlupflöcher zwischen Buchstäblichkeit und Welt können sich an unerwarteter Stelle auftun, womöglich insbesondere dort, wo ein Schockerlebnis die Wirklichkeit mitsamt der Buchstäblichkeit in den Abgrund zu reißen scheint. So erging es mir, als ich im Frühjahr 2009 immer wieder an die Einsturzstelle des Historischen Archivs der Stadt Köln zurückkehrte. Gleich um die Ecke hatte ich Anfang der neunziger Jahre gewohnt. Nun schaute ich hinunter in eine Grube: Mörtelstaub, Manuskripte. Fünf Jahre später begann ich selbst zu graben und stieß auf den mittelalterlichen Spruchdichter Muskatblut, oder Muskatplüt, oder Muschatblut (um 1390 – nach 1439), auf einen Dichter also mit labilem Namen, dessen Gedichte um das Dichten wie um das Ende des Dichtens als Bestand jenes Archivs in einem labilen U-Bahnschacht verschwunden sind – Anlass genug, beim Blick in den Krater noch einmal über Zauber und Gewalt der Buchstäblichkeit nachzudenken.“ Marcel Beyer, geboren 1965, lebte lange im Rheinland, seit 1996 in Dresden. Romane, Essays, Libretti, Gedichte: Falsches Futter (1997), Erdkunde (2002), Graphit (2014).

Personen auf dem Podium