Studio LCB mit Juri Andruchowytsch

17. Mai 2005
Literarisches Colloquium Berlin

Lesung: Juri Andruchowytsch
Gesprächspartner: Christoph Bartmann und Katharina Raabe
Moderation: Maike Albath

Programmtext

Über Staat und Kultur der Ukraine wußten die meisten von uns bis zum vergangenen Herbst sehr wenig. Spätestens seit der "Orangenen Revolution" aber ist auch bei uns die Neugier erwacht. Juri Andruchowytsch, 1960 auf hoch literarischem Terrain zwischen Lemberg und Czernowitz in Stanislau geboren und nun für ein Jahr als DAAD-Gast in Berlin, ist der wichtigste Vertreter der ukrainischen Gegenwartsliteratur. In den achtziger Jahren mischte er die erstarrte Kulturszene mit einer literarischen Performancegruppe namens Bu-Ba-Bu auf, die mit schrägen Lese-Rock-Tanzveranstaltungen Furore machte. Seine Romane brachten ihm das Etikett "postmoderner Autor" ein und entfachten wegen ihrer provokanten Erzählweise Skandale. Nachdem Andruchowytsch vor anderthalb Jahren mit seinem melancholischen Essayband "Das letzte Territorium" (2003) auch bei uns bekannt wurde, liegt jetzt sein erster Roman in Sabine Stöhrs deutscher Übersetzung vor: "Zwölf Ringe" lautet der Titel der Geschichte, in der ein österreichischer Fotograf sein Glück sucht und Versatzstücke literarischer Traditionen wie ein Feuerwerk explodieren. Die Lektorin Katharina Raabe und der Kritiker Christoph Bartmann diskutieren mit Juri Andruchowytsch über seine Bücher und den Aufbruch der Ukraine.

 

Weiterführende Informationen

Maike Albath legt den Schwerpunkt des Gesprächs mit Juri Andruchowytsch zunächst auf die friedliche Revolution im November 2004 in der Ukraine. Später erzählt der Autor dann auch, wie er regelrecht vom gesellschaftspolitischen Umsturz überrascht wurde; und wie er befürchtete, das Militär würde die Demonstrationen mit Gewalt zerschlagen. Dass dies nicht geschah, so betont er, sei ein Wunder gewesen. Ein kleines Mirakel ist auch, wie das Werk des Autors hierzulande bekannt wurde. Katharina Raabe berichtet, wie sie und andere die Essays und Romane von Andruchowytsch erst in polnischen Übersetzungen kennen gelernt hätten; und wie schwierig es schließlich gewesen sei, in Deutschland einen guten Übersetzer zu finden. Wie kompliziert dieses Unterfangen gewesen sei, beleuchtet die Tatsache, so Katharina Raabe weiter, dass das letzte deutsch-ukrainische Wörterbuch aus dem Jahr 1943 stammt  und dort Begriffe wie "Hitleranhänger" als übertragungswürdig betrachtet werden.

Personen auf dem Podium