Aphoristische Prosa

20. Oktober 1993
Deutsches Literaturarchiv Marbach

Lesung: Elazar Benyoëtz

Weiterführende Informationen

Statt einer herkömmlichen Begrüßung eröffnet Elazar Benyoëtz seine Lesung mit einem Sprachbild und unterstreicht, dass hier einer liest, der die Sprache ernst nimmt: „Die Sprache ruht im Schatten eines Worts. Der Schatten faßt den ganzen Baum zusammen. Unfaßbar begreiflich.“ Ein gewisser genius loci mag dabei auch eine Rolle gespielt haben, denn: „Kommt man nach Marbach, kommt man zum Wort.“ Das Wort aber fasst Benyoëtz weiter als es die Buchstabenverbindungen, die in gedruckter und geschriebener Form auch in Marbach liegen, zunächst nahelegen. Im Ton zuerst, dann auch in der Thematik ist der religiöse Charakter von Benyoëtz' aphoristischen Gedankenvariationen stets präsent. Stilistisch nimmt er Anleihen bei der biblischen Sprache mit ihren ins Transzendente zielenden Archaismen und bei den Sentenzen von Karl Kraus mit deren Technik, die überraschende Wendung aus der Wörtlichkeit des Sprachmaterials zu gewinnen. Dabei ist Benyoëtz kein Ironiker, sondern versucht, das Essenzielle der Sprache mit der Arbeit an ihren Wörtern zu treffen. Dies geschieht teils mit Humor, meist aber münden die Bewegungen der Aphorismen in den Ernst, aus dem sie auch hervorgegangen sind. Zu hören sind Reflexionen und Variationen über die Liebe, ein längerer Text über die Handlung des Betens und Aphorismen über den Charakter der Wahrheit, die transzendent gefasst bleibt: „Den Stein der Weisen haben auch sie nicht gefunden. Aber sie stießen auf Gott und sein Überall.“

Personen auf dem Podium