Gedichte von Michael Hamburger im englischen Original und in deutscher Übersetzung

01. Juni 1994
Deutsches Literaturarchiv Marbach

Lesung: Michael Hamburger und Peter Waterhouse

Weiterführende Informationen

Michael Hamburger ist ein Dichter der Übersetzung. Dies gilt für sein Leben als jüdischer Immigrant in London ebenso wie für die Rezeption seines lyrischen Schaffens. Denn obwohl er zweifellos einer der bedeutenden englischen Dichter der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist, wurde er doch gerade in England stärker als Übersetzer aus dem Deutschen wahrgenommen. In Deutschland hingegen wurde er durch die Übersetzungen seiner englischen Gedichte, die nicht von ihm selbst stammen, zu einer lyrischen Größe. 

Das erste Gedicht der Lesung, "Mad Lover, Dead Lady", ist dann auch in Friedrich Hölderlin einem von Hamburger übersetzten Dichter gewidmet. 

Nach einigen kürzeren Gedichten folgen die ersten drei und der letzte Teil des Langgedichts "Travelling", das Peter Waterhouse mit "In Bewegung" übersetzt hat. Hier nimmt Hamburger auf sehr eigene Weise den klassischen poetischen Topos des Reise- oder Wanderungsgedichts auf, schiebt Natur und Geschichte ineinander und betritt eine Landschaft der engsten zeitlichen Nachbarschaften. Dort trifft das Ich auf Überreste jüngster und fernster Vergangenheit  ("Bierdosenöffner liegen zentimeternah / Bei den Pfeilspitzen"), versucht die Natur bei ihren Namen anzusprechen und bewegt so beständig Sprachsedimente im Mund. Gezeichnet bleibt alles vom Tod, dessen Landschaft hier eigentlich durchmessen wird: "Ein Reisender wie jetzt / Durch den einen Tod zum nächsten hin." 

Man hat in dieser Lesung, die ihren Abschluss in einigen "Traumgedichten" findet, den seltenen Fall, zwei kongeniale Versionen neben einander zu hören. Zwar Original und Übersetzung, entfalten sie doch ihre je eigenen sprachlichen Resonanzräume und wirken letztlich eher wie zweieiige Zwillinge.

Personen auf dem Podium