Studio LCB mit Dieter Wellershoff
14. September 2005
Literarisches Colloquium Berlin
Lesung: Dieter Wellershoff
Gesprächspartner: Gisa Funck und Michael Rutschky
Moderation: Denis Scheck
Sobald alle Rechtsinhaber zugestimmt haben, wird diese Veranstaltung vollständig nachzuhören sein.
Programmtext
"Den verborgenen Text sprechbar zu machen, der unser Leben beherrscht und von dem wir fürchten und hoffen, dass die anderen ihn verstehen" - so ließe sich in des Autors eigenen Worten das reiche und vielschichtige Werk des Schriftstellers Dieter Wellershoff beschreiben, der in diesem Jahr 80 Jahre alt wird. Dieter Wellershoff hat die Geschichte der Bundesrepublik in Romanen und Novellen wie "Die Schattengrenze", "Die Sirene", "Der Sieger nimmt alles" oder "Der Liebeswunsch" kontinuierlich reflektiert und in autobiographischen Büchern wie "Der Ernstfall" seine Zeit als Soldat in Hitlers Wehrmacht thematisiert. Zwei Grunderfahrungen prägen sein Denken: "Die eine ist der Zusammenbruch einer kollektiven Identität, die als mörderisches Wahngebilde kenntlich wurde, und das Glück, das darin lag, die weltanschauliche Obdachlosigkeit als geschenkte Freiheit zu begreifen. Die zweite ist die Einsicht in die Zufälligkeit meiner Existenz." Dieter Wellershoff hat wie kein anderer deutscher Gegenwartsautor immer auch Literaturtheorie betrieben und verarbeitet. Gegenstand des Gesprächs wird unter anderem sein, inwiefern Wellershoffs in den 60er Jahren entwickeltes Konzept eines "Neuen Realismus" mit heutigen Forderungen nach einer Rückkehr des Realismus in die Literatur übereinstimmt. Im "Studio LCB" wird Dieter Wellershoff aus seinem neuen Erzählungsband "Das normale Leben" (Kiepenheuer & Witsch) lesen und mit der Literaturkritikerin Gisa Funck und dem Autor und Publizisten Michael Rutschky diskutieren.
Weiterführende Informationen
Zwei Themen behandelt man in dieser Studio-LCB-Sendung. Zum einen Dieter Wellershoffs Erfahrungen als Soldat im Zweiten Weltkrieg, zum anderen seine Erlebnisse als langjähriger Lektor des Kölner Verlages Kiepenheuer & Witsch. Geht es einerseits um die Schockerfahrung einer schweren Verwundung - und der Überzeugung Wellershoffs von der Zufälligkeit menschlichen Seins, so berichtet der Autor schließlich über den Literaturbetrieb in den 50er und 60er Jahren: Die Gruppe 47, Heinrich Böll - dessen Bücher er lektorierte -, die Literatur direkt nach dem Krieg. Dann erläutert Wellershoff, warum er die heutige Literaturförderung problematisch findet. Und er erklärt, was er unter dem Begriff "Neuer Realismus" versteht.