Studio LCB mit Jürgen Fuchs

17. Februar 1998
Literarisches Colloquium Berlin

Lesung: Jürgen Fuchs
Moderation: Denis Scheck
Gesprächspartner: Wolf Biermann, Manfred Jäger

Sobald alle Rechtsinhaber zugestimmt haben, wird diese Veranstaltung vollständig nachzuhören sein.

Weiterführende Information

Mit einem Zitat der ehemaligen Staatsicherheit verweist zu Beginn dieser Studio-LCB-Aufnahme Moderator Denis Scheck auf das Thema der Lesung und Gesprächsrunde: Jürgen Fuchs, dessen literarische Arbeit und Wirken hier im Mittelpunkt steht, wurde in den 70er Jahren mit der Begründung verhaftet, "durch pseudoliterarische Machwerke" gegen den Staat zu hetzen. "Willkürakte" wie diese seitens des Polizeistaats DDR werden von den Teilnehmern intensiv diskutiert. Es wird deutlich, dass es in den Diskussionen um jene geht, die "sich fortdauernd geschädigt" sehen durch die Machtapparate der Staatssicherheit. Anders ausgedrückt: Es geht um die Möglichkeit einer Sprache jenseits der Macht, ergo um eine Sprachwerdung durch den Geist des Leidens und der Ohnmacht. Jürgen Fuchs sieht seine schriftstellerische Aufgabe gerade darin, den Opfern des DDR-Totalitarismus' eine Stimme zu verleihen. Das führt zu einer kuriosen Form feinfühliger Kritik. Die Diskutanten beschäftigen sich nach der Lesung durchaus mit dem Scheitern des literarischen Projektes von Fuchs, wobei sie die ästhetischen und theoretischen Grundprobleme lediglich anschneiden. Jäger sagt zu Fuchs: "Man spürt, dass Sie sich etwas Übermenschliches aufgeladen haben" - und interpretiert den Text als "Versuch eines dialogisches Schreibens", das gegen die monströsen Aktenhinterlassenschaften der Stasi gerichtet ist. Wolf Biermann hat die Sorge, dass das Thema "den Freund" überwältigt, weicht dieser Diskussion aber schnell aus. Dabei wird klar, dass Fuchs von seinem Thema längst überwältigt worden ist.

 


Programmtext

"Staatsfeindliche Hetze in verschärftem Fall" lautete der Vorwurf, der gegen den 26jährigen Jürgen Fuchs zum Zeitpunkt seiner Verhaftung wenige Wochen nach der Ausbürgerung Wolf Biermanns im November 1976 erhoben wurde. Fuchs hatte sich 1971 in seinen Texten kritisch mit Staat und Partei in der DDR auseinandergesetzt. Seine Lesungen trugen ihm ein Publikationsverbot sowie die Relegation von der Universität ein. Nach neun Monaten U-Haft schob ihn das SED-Regime nach West-Berlin ab. Seine "Gedächtnisprotokolle" (1977) zeichneten die Stationen der systematischen Ausgrenzung nach, in Prosabänden wie "Fassonschnitt" (1984) und "Das Ende der Feigheit" (1988) arbeitete Fuchs seine Zeit bei der NVA auf. Nach dem Fall der Mauer profilierte sich Jürgen Fuchs insbesondere als Analytiker der Verquickung zwischen Kulturbetrieb und Staatssicherheit in der DDR. Der 1950 in Reichenbach/Vogtland geborene, heute als Schriftsteller und Psychologe in Berlin lebende, Jürgen Fuchs liest aus seinem im März erscheinenden Roman "Magdalena - MfS Memfisblues . Stasi . Die Firma . VEB Horch&Gauck". Gesprächspartner sind die Schriftsteller Wolf Biermann und Hans Joachim Schädlich.

 

Anmerkung: Es gab eine Änderung im Programm - an Stelle von Hans Joachim Schädlich war Manfred Jäger zu Gast in der Sendung.

Personen auf dem Podium