Studio LCB mit Rolf Dobelli und Ernst-Wilhelm Händler

07. Februar 2007
Literarisches Colloquium Berlin

Lesung: Rolf Dobelli und Ernst-Wilhelm Händler
Moderation: Maike Albath

Programmtext

Was haben Wirtschaft und Literatur miteinander zu tun? Rolf Dobelli und Ernst-Wilhelm Händler sind in beiden Sphären beheimatet. Dobelli, 1966 in Luzern geboren und heute in Miami und der Schweiz zu Hause, ist Betriebswirt und war viele Jahre in multinationalen Konzernen tätig, bevor er 1998 seine eigene Firma gründete und mit "getAbstract" zum weltweit größten Anbieter komprimierter Wissenschaftsliteratur avancierte. An seinem fünfunddreißigsten Geburtstag reichten ihm seine beruflichen Aktivitäten nicht mehr aus, und er begann, Romane zu schreiben. Seine unterhaltsam-spitzfindigen Geschichten führen in die Welt der Manager und nehmen die branchentypischen Krisenphänomene aufs Korn. In seinem jüngsten Roman "Himmelreich" (2006) verstrickt sich sein im Faktischen verwurzelter Held immer stärker in Phantasien und Sehnsüchte. Ernst-Wilhelm Händler, 1953 in Regensburg geboren, studierte Philosophie, bevor er Unternehmer wurde. Er schreibt an einem erzählerischen Projekt, das er mit der geheimnisvollen Formel "Grammatik der vollkommenen Klarheit" umreißt. In seinen Romanen analysiert Händler die Welt der Wissenschaft, der Architektur, der Wirtschaft, zuletzt die Literaturszene. Immer wieder geht es um die Erschaffung von Wirklichkeiten, die zugleich Sprach-Kosmen sind. "Entweder man hat Freunde, oder man hat Ziele", läßt Händler eine seiner Heldinnen in "Wenn wir sterben" sagen: das menschliche Subjekt ist nur noch im relationalen Zusammenhang der Wirtschaft denkbar. Rolf Dobelli und Ernst-Wilhelm Händler diskutieren mit Maike Albath über die Zwänge der Wirtschaft und des Schreibens.

 

Weiterführende Informationen

Der Unternehmer als Schriftsteller. Wie sieht das aus? Ernst-Wilhelm Händler erzählt beispielweise von seinem ehemaligen Unternehmen, das bis zur Insolvenz "Schaltstellen und Installationsverteiler" herstellte. 200 Angestellte und ein Jahresumsatz von 25 Millionen Euro - bleibt da noch Zeit und Raum zum Schreiben? Der Schweizer Rolf Dobelli berichtet dagegen von seinem Internet-Unternehmen "getAbstract", in dem aktuelle Wirtschaftsbücher zusammengefasst werden. "Das machen wir für Leute", erläutert Dobelli, "die keine Zeit haben, zu lesen. Das sind Leute, die einen Job haben, die im Business stehen." Aber "getAbstract" fasst auch Klassiker der Weltliteratur zusammen. Ob das überhaupt sinnvoll ist, fragt Maike Albath. Ansonsten drehen sich ihre Fragen um den globalisierten Kapitalismus. Habe dieser nicht nahezu totalitäre Strukturen? Die Autoren werden zwar nachdenklich, und Rolf Dobelli teilt seine Besorgnis mit, wenn es "um die Machtlosigkeit der Aktionäre" bei den hohen "Managerlöhnen" geht. Aber im Großen und Ganzen kennen sie "kein Alternativmodell" zum Kapitalismus.

Personen auf dem Podium