Ruth Klüger liest aus ihrer Autobiographie „weiter leben“
07. September 1994
Deutsches Literaturarchiv Marbach
Lesung: Ruth Klüger
Weiterführende Informationen
Am zweiten jüdischen Neujahrstag liest Ruth Klüger in Marbach aus ihrer Autobiographie: „Also ich bin am...“ Hier stockt Ruth Klüger und wendet den Satz: „Diese Autobiographie ist halt die Autobiographie einer Frau, die 1931 in Wien geboren wurde. Jüdische Eltern, das heißt natürlich, die falsche Zeit und der falsche Ort.“
Mit dieser lakonischen Geste der Distanz zu sich selbst und zum Publikum beginnt die Lesung eines Textes, der in erinnerter Wahrnehmung eines Kindes das Verhängnis einfängt, was es bedeutete, jüdisch in einem deutsch beherrschten Gebiet zu sein.
Wien nach dem Anschluss an Deutschland, die Konzentrationslager Theresienstadt und Groß-Rosen, beziehungsweise dessen Außenlager Christianstadt, die Evakuierung und anschließende Flucht nach Bayern sind die Orte und Einschnitte, die Ruth Klüger in dieser Lesung aufsucht, der so viel mehr als ein bloßer Erinnerungstext zugrunde liegt, dadurch aber letztlich überhaupt erst behaupten kann, sich zu erinnern.
Sie schließt mit ihrem Gedicht „Aussageverweigerung“, das mit den Versen endet: „Jedes hergelaufene Gespenst kann mich enteignen, / Weil ich weiter muß, wenn eins sagt: ‚Sprich.‘“