Sonntagsmatinée: Die Vermessung der Welt
25. Juni 2006
Literarisches Colloquium Berlin
Lesung: Daniel Kehlmann
Moderation: Marius Meller
Programmtext
Es geschieht nicht oft, daß ein deutschsprachiger Autor auf den Bestsellerlisten Harry Potter und Dan Brown überflügelt. Genau dies aber ist Daniel Kehlmann mit seinem im Herbst 2005 erschienenen Roman „Die Vermessung der Welt“ gelungen. Der in Wien lebende Autor, der bereits mit seinem vorletzten Roman „Ich und Kaminski“ eine große Leserschaft erreicht hatte, ist nicht nur für die Süddeutsche Zeitung „die größte Begabung der jüngeren deutschen Literatur“. In seinem Buch erzählt er die Geschichten der genialen Wissenschaftler Alexander von Humboldt und Carl Friedrich Gauß, die sich in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts daran machen, die Gesetze des Kosmos zu erkennen und in ihre je eigene wissenschaftliche Sprache zu übersetzen. Daß dabei weder ein Historienschmöker noch ein Theorieschinken entstanden ist, sondern ein faszinierend lebendiges literarisches Kunstwerk, verdankt sich dem Talent Kehlmanns, Wissen und Witz miteinander zu verbinden und gegeneinander auszubalancieren. Nach einer Lesung aus „Die Vermessung der Welt“ spricht Daniel Kehlmann mit dem Berliner Literaturkritiker Marius Meller über sein Buch.
Weiterführende Information
Kehlmanns Roman, der ein Jahr zuvor veröffentlicht worden war, traf offensichtlich den Zeitgeist. Marius Meller befragt den Autor dazu, wie man sich bei einer solchen Auflagenexplosion als Autor fühlt – zum Zeitpunkt der Lesung hatte „Die Vermessung der Welt“ eine Auflagenhöhe von 600.000 Exemplaren erreicht – weitere 600.000 sollten noch folgen. Das weitere Gespräch dreht sich um einen eventuellen neuen Historizismus, den Kehlmanns Roman mit seinen zwei historischen Hauptfiguren ausgelöst habe und die Frage nach dem Recht, wieder patriotisch zu sein in Deutschland. Kehlmann unterstreicht, dass sein Buch zwar vielleicht einen bestimmten Zeitgeist treffe, er eine revisionistische Sichtweise der deutschen Geschichte aber für höchst problematisch halte und er seinen Roman nicht aus dieser Geisteshaltung heraus geschrieben habe. Marius Meller kommt auf die Naturwissenschaften zu sprechen, die im Roman ebenfalls im Zentrum stehen. Viele Leser halten Kehlmann für sehr gelehrt, der Autor aber entgegnet: "Ich weiß nicht mehr als in dem Buch steht."