Studio LCB mit Nico Bleutge

09. Mai 2017
Literarisches Colloquium Berlin

Lesung: Nico Bleutge
Im Gespräch: Marie Luise Knott und Marcel Beyer
Moderation: Tobias Lehmkuhl

Programmtext

Vom heutigen Istanbul bis zur fernen Fernsehdrachenwelt der siebziger Jahre spannt sich der geographisch-kulturelle Bogen in Nico Bleutges neuem, seinem vierten Gedichtband. Nach »verdecktes gelände« (2013, C.H. Beck) mischt sich in »nachts leuchten die schiffe« stärker noch das flüssige Element ein: »die frachtarbeiter an deck, ihre grellroten westen / die noch kurz in der dämmerung wachsen / die glut vertiefte sich, hob den erdstoff ein wenig / meer schien land und land schien meer zu sein«. Und wähnte man sich eben noch am Bosporus, läuft »die warme golfstromdrift« schon an der Südspitze Grönlands vorbei. Aus den Tiefen der alten Bundesrepublik grüßt schließlich der kleine Drache Grisu herüber mit Bildern gesteigerter Wahrnehmung, mit Erinnerungsbildern: »ich habe mitten im schauen / gebrannt.« Nico Bleutge gehört zu den Dichtern, für die Wahrnehmung der Nahwelt und tiefe Reflexion ganz nahtlos ineinander gehen. Er arbeitet auch als Literaturkritiker und Essayist; im vergangenen Jahr hat er den Alfred Kerr-Preis für Literaturkritik bekommen. Mit Nico Bleutge diskutieren die Kritikerin Marie Luise Knott und der Schriftsteller Marcel Beyer. Den Abend moderiert der Berliner Literaturkritiker Tobias Lehmkuhl.

Weiterführende Hinweise zur Lesung

Dieser Studio-LCB-Abend zum neuen Gedichtband „nachts leuchten die schiffe“ von Nico Bleutge ist genauso vielfältig das Buch selbst. Bleutge und Marcel Beyer berichten darüber, welchen Einfluss Musik und das Schreiben von Libretti auf ihre Lyrik haben. Zudem skizziert Bleutge seine Entwicklung als Dichter nach und erläutert, welchen prägenden Einfluss etwa Donald Duck, Georg Büchner und Uwe Johnson auf seinen Werdegang hatten. Das Hauptaugenmerk des Abends liegt jedoch auf Bleutges frisch erschienenen Gedichtband „nachts leuchten die schiffe“. Bleutge gewährt Einblick in den Schreibprozess, aus dem dieser wunderbare Band hervorgegangen ist. Ausgangspunkt war ein Aufenthalt in Tarabya, während dessen tagtäglich große Containerschiffe an Bleutges Fenster vorbeiglitten, aber auch Kindheitserinnerungen an den Rhein und die Lektüre von Döblins Dystopie „Berge Meere und Giganten“ beeinflussten den Band. Um dem Geheimnis der in diesem Band zusammengefassten Zyklen näherzukommen, ergehen sich die Gäste auf dem Podium in poetologischen Betrachtungen, etwa zum lyrischen Ich in Bleutges Werk oder zu den lyrischen Formen des Zyklus und des Sonettenkranzes. Marie Luise Knott und Marcel Beyer präsentieren sich dabei als engagierte Leser, Zuhörer und Fragesteller; Beyer legte in Vorbereitung auf die Veranstaltung gar Schemata an, um die Struktur eines Zyklus von Bleutge ganz und gar zu durchdringen, während Marie Luise Knott sich an barocke Lyrik erinnert fühlt und Deutungsmuster im gesamten Werk Bleutges sucht. Abgerundet wird dieser lyrische Abend von Bleutges wunderbarer Rezitation der zwei Zyklen „nachts leuchten die schiffe“ und „flugsand“.

Personen auf dem Podium