Studio LCB: Thomas Mann
13. September 2021
Literarisches Colloquium Berlin
Gesprächspartner: Daniel Kehlmann, Heinrich Detering, Adam Soboczynski
Moderation: Katharina Teutsch
Programmtext
1947 notiert Thomas Mann, dass er nach dem sehr ernsten »Doktor Faustus« nun einen Roman schreiben werde, der das Zeug habe, „bei düsterer Weltlage […] die Menschen zu trösten – und zu erheitern.“ Der Roman »Der Erwählte« erscheint sechs Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Er wirkt dem ersten Anschein nach verspielt und zeitfern, da er die mittelalterliche Legende von »Gregorius oder der gute Sünder« parodistisch neu erzählt. Dass man bei dieser Lesart eine Menge übersehen kann, vor allem den politischen Charakter dieses von Mann selbst als unpolitisch dargestellten Buchs, erläutert der Mitherausgeber der »Großen kommentierten Frankfurter Werkausgabe« (S. Fischer, 2001 ff.) Heinrich Detering. Er wird im Studio LCB auch erklären, vor welche Herausforderungen sich ein solch enormes Editionsprojekt gestellt sieht, das mit »Der Erwählte« den Abschluss des erzählerischen Werks feiert.
Für uns ein Grund zu rekapitulieren, was Forschung und Lesegewohnheiten seit Beginn der kommentierten Werkausgabe um die Jahrtausendwende erbracht und wie sich beide verändert haben. Mit Detering diskutiert Daniel Kehlmann, für den Thomas Mann einer der größten, aber auch zwiespältigsten Autoren der literarischen Moderne ist. Der verstorbene Literaturwissenschaftler Hans Mayer hat einst versucht, das ewige Unbehagen an der Figur Thomas Mann in die Formel der „Ungeliebtheit“ zu bannen. Darüber werden wir mit dem Literaturchef von DIE ZEIT, Adam Soboczynski, sprechen, der das Verhältnis von Feuilleton und Thomas Mann in den Blick nimmt.