Wiedersehen mit den Fünfzigern
24. Juni 2015
Deutsches Literaturarchiv Marbach
Gespräch mit Hans Magnus Enzensberger
Moderation: Jan Bürger
Begrüßung: Ulrich Raulff
Programmtext
Hans Magnus Enzensberger und der Sammlung Würth in Schwäbisch Hall ist das Exponat Nummer 1 im Literaturmuseum der Moderne zu verdanken: der Landsberger Poesieautomat. Am 24. Juni nimmt uns Hans Magnus Enzensberger mit in eine Zeit, in der er als Leser die Weltsprache Poesie entdeckt und in der es "eine Stunde Null nie gegeben" hat.
Weiterführende Informationen
In seiner Einführungsrede betont Ulrich Raulff, dass das Archiv Hans Magnus Enzensbergers, dessen Aufnahme in den Marbacher Bestand an diesem Abend gefeiert wurde, "seit Menschengedenken", also zumindest so weit das Gedächtnis des Redners reiche, das schönste und reichste Individualarchiv sei, welches das Deutsche Literaturarchiv gewinnen konnte. Denn Hans Magnus Enzensberger sei "eine Ein-Mann-Weltliteraturgeschichte".
Zu Beginn des Gesprächs unterhalten sich Enzensberger und Jan Bürger über den richtigen Begriff für das Archiv des Autors, als es noch bei ihm im Keller (einer stillgelegten Sauna, wie Jan Bürger präzisiert) lag. Enzensberger verrät, dass er es früher immer den "Misthaufen" genannt habe, nun jedoch von Jan Bürger belehrt worden sei, dass der bessere Ausdruck der "Komposthaufen" wäre. Das Fruchtbarkeitsversprechen, das in diesem Ausdruck liegt, nehmen die beiden ernst und befruchten ihrerseits das Gespräch über die Fünfziger mit einigen Fundstücken aus dem Archiv. Zum Beispiel wird ein Brief von Arthur Adamov, dem Vertreter des absurden Theaters, von 1955 hervorgeholt, worauf Enzensberger von seinen Aufenthalten in Paris erzählt, seinen Begegnungen mit Jazz und mit dem Existenzialismus. "Nichts wie raus" aus Deutschland, hieß die Devise. Weiter berichtet Enzensberger u. a. von seinem Kontakt mit Paul Celan, wahrscheinlich die ernsteste Episode des Gesprächs, den frühen Übersetzungen von Pablo Nerudas Gedichten, seiner Zusammenarbeit mit Alfred Andersch beim SDR und seinem Debüt 1957 beim Suhrkamp Verlag. Die frühe, intellektuell bewegte bundesrepublikanische Geschichte und (Welt-)Literaturgeschichte wird in diesem Gespräch erneut in Bewegung gesetzt.
Am Ende liest Hans Magnus Enzensberger einen Text, den er für den Marbacher Ausstellungskatalog "Die Seele" verfasst hat.