Wie weiß ich was queer ist? Wie weiß ist queer?
Die letzte Frage ist auch andersherum stellbar: Wie weiß sind die Vorstellungen und Darstellungen von Queerness in den Büchern, Geschichten und Erzählungen, die wahrgenommen werden?
Sind Diskriminierungsstrukturen miteinander vorstell-, denk- und schreibbar? Existieren sie unabhängig voneinander? Werden Personen vor allem über jeweils eine Kategorie und Diskriminierungsform wahrgenommen und alles andere ausgeblendet?
In dem Roman Atalanta Läufer_in versucht Lilly Axster dies in einer Vielschichtigkeit miteinander verwobener Kategorien umzusetzen, die nicht unabhängig voneinander existieren. Rassismus und Diskriminierung für die Überschreitung von Gendernormen hängen hier zusammen, werden als spezifische Realität in dem Roman in Form einer Geschichte in Rückblicken ausgewickelt und fordern die Normalvorstellungen einer an weiße Normen gewöhnten Les_erinnenschaft heraus.
Ist queer feministisch? Wann ist queer feministisch und wann nicht? Bedeutet queeres Lesen dasselbe für Personen, die durch Sexismus privilegiert sind oder diskriminiert werden?
Die Wettbewerbs- und Konkurrenzsituation zu Beginn des Romans, die vermutete ‚Enttarnung‘ des männlichen Passens einer Person ist hier zugleich auch Folie für die Frage, woran Zweigeschlechtlichkeit festgemacht wird – und wie gefährlich es ist, als potentiell diskriminierte Person (‚Nicht-Cis-Mann‘) ‚besser‘ zu sein als ein Cis-Mann. Das Ende des Romans kann auch als eine Utopie gelesen werden aus diesem Konkurrenzverhältnis – und damit aus der Grundsätzlichkeit von Sexismus – herauszukommen.
Kann sich Literatur verändern? Verändert Literatur die Menschen, die lesen?
Lilly Axster hat aus dem Roman zum Zeitpunkt der Lesung gerade ein Film-Treatment gemacht und in diesem versucht, die Infragestellung von Zweigeschlechtlichkeit noch mal weiter umzusetzen. Das Schreiben verändert sich durch das Schreiben und mit dem Arbeiten mit dem Schreiben so immer weiter. Literatur bewegt sich und bewegt die Menschen, die sie lesen.
Naturalisierte Empfindlichkeiten – sich ‚natürlich‘ queer empfinden
Zur HörstationQueeres akademisiertes Life-Style-Schreiben – wie hip ist queer und wie prekär?
Zur HörstationÜber das Begehren
Zur Hörstation30.01.1999, Ort, Lesung „Lorem ipsum lara est“
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